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Telegram: Die Stärken und Schwächen der WhatsApp-Alternative

Nach dem enormen Erfolg von WhatsApp fühlten sich zahlreiche Entwickler dazu bewogen, selbst ihr Glück mit einem Messaging-Client zu versuchen. Die daraus hervorgegangenen Apps unterschieden sich kaum von WhatsApp und warben lediglich mit einer oder höchstens zwei zusätzlichen Funktionen, die man als große Neuerungen verkaufen wollte. Den Nutzern genügte dies bisher allerdings nicht. Nur wenige dieser Dienste waren einzigartig und innovativ genug, um sich neben WhatsApp etablieren zu können. Zu einem der wenigen Clients, die erfolgreich neben WhatsApp bestehen können, zählt beispielsweise Snapchat, dessen Konzept auf selbstzerstörenden Bildnachrichten basiert.

Telegram besitzt kein solches Prinzip, das sich aus Sicht des Nutzers wesentlich von WhatsApp unterscheidet. Vielmehr sind es Einzelheiten von WhatsApp, die in Telegram korrigiert wurden und den Client sowohl für Nutzer als auch Entwickler interessant macht. Wie jeder andere Client auch, wirbt Telegram mit der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Messengers gegenüber WhatsApp und anderen Konkurrenzprodukten. Ersteres wird dadurch erfüllt, dass Server weltweit verteilt sind und Nachrichten auf Wunsch Ende-zu-Ende verschlüsselt werden. Was das Ganze für uns glaubwürdig machen soll, ist die Tatsache, dass Telegram jedem Entwickler, der eine nennenswerte Sicherheitslücke im Chat-Client findet, 200.000$ an Bug Bounty auszahlen will; sprich: Hacker werden für das Finden von Sicherheitslücken belohnt. Bei der Zuverlässigkeit scheint Telegram WhatsApp ebenfalls einen Schritt voraus zu sein, denn Telegram funktioniert Cloud-basiert und ist daher auf mehreren Geräten gleichzeitig verwendbar. Dadurch soll des Weiteren ermöglicht werden, dass Nachrichten schneller ankommen, wovon wir uns auch selbst überzeugen konnten. Für Entwickler dürfte Telegram nicht nur aufgrund der Bug Bounty Auszahlung interessant sein, gelten doch besonders Messaging Clients als sehr anfällig für Hacks, sondern auch aufgrund der offenen Protokolle und APIs.

Telegram wird derzeit offiziell für iOS und Android angeboten, an einer offiziellen Windows Phone 8 App arbeitet das Unternehmen bereits. Auf unsere Anfrage ließ Telegram verlauten, dass man fast fertig sei und die offizielle App in etwa drei Wochen veröffentlicht werden soll. Unterdessen sind schon einige inoffizielle Clients für Microsofts mobile Plattform erschienen, die der offiziellen App für Android teilweise vom Funktionsumfang in nichts nachstehen. Sofern sich Telegram gegen den großen Konkurrenten WhatsApp durchsetzen kann, ist damit zu rechnen, dass in Zukunft weitere alternative Clients erscheinen werden.

Windows Phone

Unser persönlicher Favorit ist aktuell Migram BETA, da dieser als derzeit einziger Client für Windows Phone sämtliche Features von seinem offiziellen Android-Äquivalent anbietet. Damit lassen sich nämlich Fotos, Videos, der aktuelle Standort und Kontakte versenden. Aufgrund der Beschränkungen von Windows Phone lassen sich jedoch keine Videos aus der Galerie auswählen, sondern müssen direkt von der App aus aufgenommen werden. Migram ist aktuell eine der wenigen Telegram-Apps für Windows Phone, die das Versenden von Videos in der Größe von bis zu einem Gigabyte ermöglicht.

Was Migram gegenüber vielen anderen Clients auszeichnet, ist außerdem die Tatsache, dass die App auch sogenannte geheime Chats unterstützt. Dabei werden keine Spuren auf den Servern von Telegram hinterlassen, verwenden Ende-zu-Ende Verschlüsselung, bieten die Möglichkeit, Nachrichten nach einer definierten Zeit selbst zerstören zu lassen und erlauben kein Weiterleiten der Nachrichten, um möglichst hohe Sicherheit zu gewährleisten.

Daneben existieren auch andere hochqualitative Clients, wie beispielsweise Ngram. Dieser befindet sich selbst in einer frühen Beta-Phase und läuft noch nicht reibungslos. Zahlreiche Nutzer melden regelmäßige Abstürze und Fehler beim Anzeigen von Nachrichten.

Windows 8/RT

Für Geräte mit Windows 8 bzw. Windows RT gibt es aktuell noch keinen Client für Telegram, weder offiziell noch inoffiziell. Ein offizieller Client wurde bisher noch nicht angekündigt und es ist (vorerst) nicht davon auszugehen, dass dieser noch erscheinen wird. Für Nutzer von Geräten mit Windows 8 gibt es die inoffizielle Anwendung „Telegram for Desktop„. Nutzer von Tablets mit Windows RT kommen nicht in den Genuss einer nativen App, können jedoch über die HTML5-App Webogram auf den Dienst zugreifen.

Kritik: Effektiver Schutz nur gegen „Scripkiddies“

Telegram verwendet ein eigenes Verschlüsselungsprotokoll namens MTProto, das auf symmetrischer 256-bit AES-VerschlüsselungRSA 2048-Verschlüsselung und dem Diffie-Hellman-Schlüsselaustausch-Protokoll basiert. Das Team hinter den Gründern Pavel und Nikolai Durov besteht nach eigenen Angaben aus Mathematikern, jedoch heißt es unter Kryptologen, dass man nicht versuchen sollte, seine eigene Verschlüsselung zu erfinden.

Don’t roll your own crypto.

Jede Chat-Nachricht, die per Telegram versandt wird, ist mittels MTProto verschlüsselt und wird so an den Server weitergeleitet. Dies bedeutet, dass es für einen potenziellen Angreifer nahezu unmöglich ist, Nachrichten über einen bösartigen Router zu lesen. Man-in-the-Middle-Attacken, bei denen der Angreifer physisch oder heute meist logisch zwischen den Kommunikationspartnern steht, können damit weitestgehend abgewehrt bzw. verhindert werden. Es ist jedoch unbekannt, wie die Informationen am Server gespeichert sind und wie bzw. ob die Kommunikation zwischen den Servern verschlüsselt ist. Dass man dem Server vertraut bzw. aufgrund fehlender Informationen vertrauen muss, ist ein Fehler, der enorme Gefahren birgt. Dadurch könnte ein Angriff durch Abfangen des Datenverkehrs zwischen den Servern stattfinden oder schlimmstenfalls sogar die Server selbst diese Attacke durchführen.

Die sogenannten „geheimen Chats“ verwenden Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und hinterlassen keinerlei Spuren auf den Servern von Telegram. Somit dürfte zumindest hier keine Gefahr bestehen. Der über Diffie-Hellman generierte Schlüssel ist kombiniert mit einer vom Server generierten Nonce. Damit könnte der Server selbst eine MITM-Attacke durchführen, für beide Kommunikationspartner den selben Schlüssel generieren und so die Schlüsselüberprüfung überbrücken. Erneut muss man dem Server vertrauen, zu dem es – wie schon erwähnt – kaum Informationen gibt.

Telegram hält zwar sein Versprechen, dass der Messenger mehr Sicherheit bietet als WhatsApp, während jedoch WhatsApp nicht einmal damit wirbt, sichere Kommunikation zu ermöglichen. Daneben bietet Telegram sicherlich auch genügend Schutz davor, dass das „Nachbarskind“ die privaten Chat-Nachrichten nicht mitlesen kann; jedoch ist die Behauptung, dass das größte Sicherheitsrisiko darin bestehe, dass die Mutter über die Schulter mitliest schlichtweg als unwahr zu bezeichnen.

WhatsApp-Ausfall

Während der schweren Serverprobleme des bekannten Messaging-Dienstes WhatsApp haben zahlreiche alternative Dienste ein enormes Wachstum verzeichnen können. Größter Profiteur von den Schwierigkeiten bei WhatsApp war Telegram, der innerhalb einer Nacht mehr als 2,6 Millionen Nutzer gewinnen konnte. Am Tag darauf stieg die Nutzerzahl nochmals um 4,95 Millionen. Nachdem kürzlich Facebook den Kauf von WhatsApp angekündigt hatte, kehrten viele Nutzer dem Dienst aus unterschiedlichen Gründen den Rücken.

Es ist durch die zahlreichen alternativen Clients jedoch nicht einfacher geworden, den Messaging-Client zu wechseln. WhatsApp nutzen immer noch rund 450 Millionen Menschen auf der ganzen Welt. Zum Schluss wird es vermutlich so sein, dass (ehemalige) WhatsApp-Anwender mehrere verschiedene Clients auf ihren Smartphones installieren werden, um sicher auch mit allen Freunden kommunizieren zu können.

Migram BETA (kostenlos) – WP7.x/8

Ngram BETA (kostenlos) – WP7.x/8

Telegram for Desktop (kostenlos) – Windows & OS X

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"Entdeckung besteht darin, den gleichen Gegenstand wie alle anderen zu betrachten, sich aber etwas anderes dabei zu denken."
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