Microsofts Joe Belfiore zählt zweifelsohne zu den sympathischsten Managern bei Microsoft; unbeschadet der Tatsache, dass einige seiner Handlungen in der Vergangenheit gegensätzlich wahrgenommen wurden. Da er als Chef der Betriebssystemsparte die Entwicklung von Windows Phone maßgeblich beeinflusst, stellte er sich am vergangenen Freitag für eine „Ask Me Anything“-Veranstaltung auf Reddit zur Verfügung. Dort ging er auf zahlreiche Fragen der Nutzer ein, konnte aber naturbedingt nicht alle erwidern. Gleichwohl wurde durchaus Wissenswertes vermittelt, weshalb anhand dieses Artikels die wichtigsten Erkenntnisse aus dem AMA-Event zusammenfassend dargestellt werden sollen.
Zahlreiche Entwickler und solche, die es werden wollen, nutzen bereits aktiv Windows Phone 8.1, weil Microsoft ihnen den Zugriff auf die Vorschauversion des kommenden großen Updates gewährt hat. Belfiore erklärte zum einen, dass es sich bei der „Vorschauversion für Entwickler“ in der Tat um die früh angekündigte Berechtigung für Enthusiasten handelt, (noch) nicht öffentliche Updates auf offiziellem Weg zu beziehen. Jedoch betont er im gleichen Atemzug den grundlegenden Charakter von Vorschauversionen, welcher – auch unserer Erfahrung nach – bei Anwendern schnell in den Hintergrund rücken kann: Das aktuelle Windows Phone 8.1 ist keine finale Betriebssystemversion. Im Einzelnen bedeutet dies, dass weiterhin clientseitige Softwareanpassungen vorgenommen werden und Dienste wie Cortana fortwährend Verbesserungen erfahren. Hinzu kommen OEM-spezifische Zusätze auf der Firmware-Ebene, welche erst mit dem öffentlichen Update an existierende Windows Phone Smartphones verteilt werden. Belfiore und sein Team sind überaus dankbar für das bisherige Feedback, das sie von den Teilnehmern am Vorschauprogramm erhalten haben und legen allen Windows Phone Nutzern nahe, die Microsoft eigene UserVoice-Seite aktiv zu nutzen. Schließlich unterstütze die Seite das zuständige Team dergestalt, dass die Kategorisierung und Priorisierung der Rückmeldungen ermöglicht werde.
War die Kritik vieler Nutzer in Bezug auf das vermeintliche Missachten der „UserVoice“-Vorschläge also verfehlt? Diese Frage ist bei genauer Überlegung zu bejahen, denn viele Entscheidungen für oder gegen gewisse Funktionen beruhen Belfiore zufolge auf 45/55-Kompromissen, deren Grundlage unter anderem das UserVoice-Forum darstellt. Deshalb möchten wir uns Belfiores Aufforderung anschließen und hoffen, dass auch ihr in Zukunft zunehmend auf derartige Feedback-Optionen zurückgreift. Übrigens sind der Foto-Hub und die Auflistung von Spieletiteln in der App-Liste einer 44/55-Entscheidung geschuldet und somit gewollt. Das Team um Belfiore habe schnell zur Kenntnis genommen, dass das Auffinden von Spielen neuen Nutzern Schwierigkeiten bereitet. Die Entscheidung für die Darstellung in der App-Liste ist indes nicht endgültig: Das Windows Phone Team habe den Wunsch der Anwender, über das „Ob“ der Anzeige von Spieletiteln in der App-Liste verfügen zu können, registriert und werde sich diesbezüglich Gedanken machen. Daneben beschreibt die obige Grafik das Nutzungsverhalten im Falle der Fotos-App, demgemäß 91% der Klicks der Kamerarolle zuzurechnen sind. In Konsequenz dessen hat die Struktur des Foto-Hubs eine, am wesentlichen Verhalten ausgerichtete, Revision erfahren.
Ein weiteres Beispiel für die Erforderlichkeit von möglichst zufriedenstellenden Kompromissen ist die neue, reduzierte Integration sozialer Netzwerke in das Betriebssystem. Demnach fungiert genau genommen die Facebook-App unter Windows Phone 8.1 als die „Integration“. Das neue Konzept sieht vor, dass Neuigkeiten zwar in den gewohnten Bereichen dargestellt werden können und somit der reine Konsum von Informationen aus den sozialen Netzwerken weiterhin gewährleistet ist. Möchte der Anwender jedoch auf die jeweiligen Daten zugreifen oder persönliche Informationen teilen, so wird dieser in die jeweilige App weitergeleitet. Belfiore gelang es im Rahmen des AMA-Events, eine einleuchtende Begründung für diesen neuen Ansatz anzuführen. Zum einen liebten die Nutzer die schier nahtlose Einbindung zahlreicher Funktionen in das OS, äußerten dagegen Frustration im Hinblick auf den Mangel von weiteren Funktionen, welche das Erlebnis vervollständigen sollten. Diese Misere möchte Microsoft auflösen, indem sie den Drittanbietern die Möglichkeit in die Hand geben, den Funktionsumfang der eigenen Anwendungen selbst beeinflussen zu können. Damit geht unserer Meinung nach einher, dass das Betriebssystem per se sich nicht mehr in einem Konkurrenzverhältnis zu den Drittanbieter-Apps befindet und letztere daher im stärkerem Maße die Aufmerksamkeit der eigentlichen Anbieter genießen werden. Belfiore und sein Team arbeiten schließlich nicht ohne Grund in Kooperation mit den Drittanbietern an Updates für die Skype- und Facebook-Apps, welche vorwiegend die Leistung adressieren und – zumindest im Falle von Facebook – voraussichtlich im Juni dieses Jahres erscheinen werden. Wie spätestens jetzt ersichtlich wird, sind vermeintliche Rückschritte in aller Regel dem Versuch geschuldet, das System noch besser an die Bedürfnisse der Nutzer anzupassen.
Belfiore gewährte aber auch einen Ausblick auf die langersehnte Dateimanager-App für Windows Phone 8.1. Diese werde „hoffentlich“, dies betont Belfiore, Ende Mai den Windows Phone Store erreichen und befinde sich intern bereits in Nutzung. Die unten zu sehenden Screenshots veranschaulichen die Funktionsweise und -tiefe des Dateimanagers, was angesichts des grundsätzlich geschlossenen Systems beachtlich ist. Viele Änderungen erwarten uns außerdem hinsichtlich der Xbox Musik App. Diese soll sich gleichermaßen an zwei unterschiedliche Zielgruppen richten: Microsoft ist sich des Faktes bewusst, dass nicht alle Anwender das kostenpflichtige Abo-Modell bevorzugen. Eine signifikante Anzahl zieht es vielmehr vor, die eigene Musik eigenhändig zu synchronisieren, das heißt ohne Rückgriff auf Cloud-Dienste.
Belfiore verkennt auch nicht das Durcheinander in den Systemeinstellungen. Zwar habe das Windows Phone Team die einzelnen Einstellungspunkte nach der Häufigkeit ihrer Nutzung sortiert, um ein Mindestmaß an Übersicht zu bieten. Dessen ungeachtet werde das Team sich über passende Lösungsansätze Gedanken machen – selbiges gilt für die Option, die mobile Internetverbindung unmittelbar über das Benachrichtigungscenter ein- und ausschalten zu können.
Doch die Fragen bezogen sich nicht ausschließlich auf Windows Phone 8.1, sondern hatten zum Teil allgemeine Natur. So unterstrich Belfiore beispielsweise, dass Microsoft seine Nutzer nicht zweitklassig behandele. Dass gewisse Funktionen oder Dienste früher auf anderen Plattformen erscheinen, sei dem Umstand zu verdanken, dass Microsoft ein „Geräte und Dienste“ Unternehmen sei, folglich auf anderen Plattformen konkurrenzfähig bleiben müsse und die aufgrund dessen die Veröffentlichung von bestimmten Funktionen nicht unnötig hinauszögern dürfe. Belfiore versprach überdies stetige Besserungen auf dem Gebiet des Multitaskings und gab zu erkennen, dass Cortana „ein großer Fan von PCs“ sei. Dies darf man gerne als Indiz für die Windows 8 Pläne im Zusammenhang mit Cortana werten, nähere Angaben wollte Belfiore in diese Richtung aber nicht treffen.
Nach alledem sollten sich die meisten unserer Leser ein besseres Bild von internen Abläufen innerhalb des Redmonder Konzerns machen können und das Feedback bestenfalls dementsprechend formulieren. Belfiore ist der Ansicht, dass nicht einzelne Features Windows Phone konkurrenzfähig machen, sondern das gesamte System. Das übergeordnete Ziel sei es, dass Windows Phone der Fingerabdruck eines jeden Nutzers ist.