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One Microsoft, One Strategy: Konsequent oder nur heiße Luft?

Vor inzwischen guten zwei Jahren, im Juli 2013, läutete Steve Ballmer die neue Ära von Microsoft ein. Ziel der Umstrukturierung war es, Microsoft in einer sich schnell verändernden Welt effizienter und leistungsfähiger aufzustellen und die Visionen des wettbewerbsfähigen Hard- und Softwareunternehmens erfolgreich zu realisieren. Er beschrieb dies mit folgenden Worten:

One Microsoft, one strategy, one team. Focussed, disciplined, professional and expert in all that we do…

/ Steve Ballmer, zweiter Chief Executive Officer bei Microsoft

Im Januar darauf übernahm Satya Nadella die Führung bei Microsoft als dritter CEO der Unternehmensgeschichte. Mit seiner neuen Ausrichtung „mobile first, cloud first“ führte er den Konzern mit modernen Prinzipien weiter und setzte neue Maßstäbe. Er sorgt(e) für eine „fundamentale Veränderung des stark auf das Betriebssystem konzentrierten Geschäftsmodells von Microsoft“.

Wie viel bleibt von Steve Ballmers Versprechen übrig und wie konsequent hat Satya Nadella die Vereinheitlichung geräte- und plattformübergreifend durchgesetzt? WindowsArea.de hat dies anhand ausgewählter Beispiele einer ausführlichen Prüfung unterzogen und mit dem Wettbewerb verglichen.

#4 Fasten your seatbelts, it’s gonna be a bumpy ride.

Microsoft-Logo und Corporate Design

Fangen wir an mit dem ganz Offensichtlichen – dem neuen Logo, das im August 2012 eingeführt wurde. Ein Aushängeschild, das zugleich die Unternehmensphilosophie widerspiegelt und die letzten 25 Jahre (davon 12 unter der Führung von Steve Ballmer) unangetastet blieb.

Das neu gestaltete Logo bringt ein schlichtes und modernes Aussehen mit sich. Die Schriftart Segoe, die bereits vom Mediaplayer Zune und Windows Phone bekannt war, erhielt nun auch hier Einzug. Das Ganze orientiert sich an der ehemalig als Metro-Design bezeichneten Designsprache:

microsoft-logo

Einhergehend veröffentlichte Microsoft auch neue Logos für Windows, Office und die Spielekonsole Xbox. Ein knappes Jahr später erhielt auch die hauseigene Suchmaschine Bing ein frisches Design.

Im Zuge dieser fundamentalen Umstellung kann durchaus erwartet werden, dass die neuen Logos in alle Abteilungen, Produkte und Software aus Redmond Einzug halten. Dies können wir auch bestätigen: An dieser Stelle war der Konzern konsequent und hat Altes gegen Neues getauscht. Sei es am Windows Phone, auf der Xbox oder am Surface – das neue Microsoft (mit den neuen Produkten auch bildlich) ist präsent.

Selbst Produkte für Entwickler, die primär auf Funktionalität, Kompatibilität und Stabilität ausgelegt sind, wurden der neuen Designrichtlinie unterzogen. So besitzt zum Beispiel auch Visual Studio ein neues Logo; auch die Programmoberfläche hat sich der von Office und dem Windows Explorer angeglichen. Doch später mehr zu den Programmoberflächen…

Das einzige auffallende Negativbeispiel, das wir zum heutigen Zeitpunkt finden konnten, ist die für Endkunden in der Regel unbekannte Seite der MSDN Subscriptions. Hier scheint der Geist der Zeit noch nicht gegriffen zu haben. Das alte Bing-Logo ist noch anzufinden und die Menüführung ist – ganz im Gegensatz zur regulären Microsoft-Homepage – bisher nur auf Desktop-Nutzer ausgelegt und entspricht nicht mehr den aktuellen Designrichtlinien:

MSDN-Subscriptions

Grundsätzlich können wir sagen, dass Microsoft in diesem Gesichtspunkt gute Arbeit geleistet hat und ein einheitlicher Auftritt erkennbar ist.

Microsoft Stores und Unterstützung

Bekanntgegeben wurde das neue Logo bei der Eröffnung eines Microsoft Stores in Boston. In diesem Umstand zeigt sich zugleich die steigende Relevanz der Präsenz vor Ort: Der Konzern ist erst seit einigen Jahren dabei, diese in Form besagter Microsoft Stores auszubauen. Dabei konnte der neue Auftritt von Anfang an genutzt werden, sodass alle Microsoft Stores ein grundsätzlich einheitliches Aussehen besitzen.

Doch inwiefern ist das auch in Europa der Fall? Hierzulande kann der Wettbewerb aus Cupertino durch viele Verkaufs- und Beratungsstellen für Privatkunden vor Ort punkten. Die Redmonder sind in Deutschland mit nur einem einzigen Standort in Berlin präsent. Weltweit einheitlich kurbelt der Konzern sichtlich noch nicht an der Kundenbindung durch Kundennähe. Gleiches gilt auch für den Service und die Unterstützung vor Ort, die in den Microsoft Stores erfolgen kann: Produktschulungen, Geräteberatungen, Fehlerbehebungen und PC-Reparaturen sind nur einige der zum Teil kostenlosen Dienstleistungen, die wir in Deutschland leider nicht in Anspruch nehmen können. Vielmehr wird der Heimanwender in Deutschland auf FAQ-Artikel verwiesen und hat oft keinen persönlichen Ansprechpartner vor Ort, dem man sein Problem schildern kann.

Niederlassungen in Deutschland

Wir als Magazin für Themen rund um Microsoft hatten bereits mehrfach die Möglichkeit, Microsoft-Niederlassungen anzuschauen. Unser Besuch des Standortes in Köln als auch des TechTrucks in Bergisch Gladbach haben eines gezeigt: Microsoft ist bemüht, immer die neusten Technologien und Errungenschaften zu zeigen und hat sich auf die Fahne geschrieben, die Einrichtungen modern und zukunftsorientiert zu gestalten. So wird auch die neue Deutschlandzentrale in München mit der „neuen Welt des Arbeitens“ betitelt.

Analog zum erfolgreichen Konzept der „Digital Eatery” am Berliner Microsoft Standort, wird es auch in München im Erdgeschoss ein öffentliches Café geben. Dort wird den Besuchern die Produktvielfalt von Microsoft zum Kennenlernen und Ausprobieren zur Verfügung stehen. „Die Digital Eatery verdeutlicht: Wir ziehen nicht einfach nur nach München hinein, wir wollen auch Teil der Stadt werden”, fasst Alexander Stüger (aktueller Deutschland-Chef von Microsoft) zusammen.

Hierin sehen wir auch einen weiteren Schritt in Richtung Kundenbindung vor Ort.

Ebenso wichtig ist auch, dass sich potentielle Kunden – sei es im privaten oder geschäftlichen Rahmen – ungezwungen mit Microsoft-Technologien vertraut machen können. Moderne Einrichtungen zeigen schlussendlich auch den Willen seitens Microsoft, mit dem Trend der Zeit zu gehen und neue Impulse zu setzen, was sich auch in der Software niederschlägt. Geschäftskunden sollen direkt einen positiven Eindruck von Microsoft erhalten – und ein Großteil des Umsatzes machen diese nun einmal aus.

Extravagante Pläne für den Microsoft Campus (USA)

Seitdem Satya Nadella am Ruder sitzt, hat sich die Arbeitsweise des Konzerns aus Redmond grundlegend geändert. Um auch als Arbeitgeber attraktiv und innovativ zu bleiben, denkt Microsoft Gerüchten zufolge darüber nach, ihren Hauptsitz in Redmond einer weitgehenden Renovierung zu unterziehen:

The software giant has hired architecture firm Skidmore, Owings & Merrill LLP as part of the effort at its Redmond, Washington, offices, said the people, who asked not to be named because the plans aren’t public. Skidmore Owings designed Dubai’s Burj Khalifa, the world’s tallest building, and is helping Microsoft with a makeover of its much smaller campus in Mountain View, California. Microsoft hasn’t yet decided whether to move forward with the Redmond overhaul, said one of the people familiar with the matter.

/ Diana Blass und Hui-Yong Yu von Bloomberg

Mit renommierten Architekten, wie Skidmore Owings (bekannt für den Burj Khalifa in Dubai), könnten die klassischen Büro-Arbeitsplätze abgeschafft werden. Wie es in anderen Niederlassungen bereits der Fall ist, würden mit einem konkrete(re)n Plan auch in Redmond schnell(er) offene(re) Arbeitsräume entstehen. Diese sind in Technologie-Unternehmen sehr beliebt. Und schließlich besagt auch Microsofts Unternehmensphilosophie, dass man nicht an ‚sein‘ Büro gebunden sein soll und von jedem beliebigen Ort aus arbeiten kann – zusammengefasst unter dem Stichwort Vertrauensarbeitsort:

Mein #Vertrauensarbeitsort befindet sich sowohl in unserem Microsoft Büro in Unterschleißheim, vor Ort beim Kunden, in meinem Arbeitszimmer zu Hause, in unserem Garten, manchmal aber auch einfach unterwegs im Auto oder wenn ich meine Eltern im 500 Kilometer entfernten Göttingen besuche. Die gewonnene Flexibilität ist bereits seit einiger Zeit ein fester Bestandteil meines Alltags geworden, den ich nicht mehr missen möchte. Die Möglichkeit zu haben, von verschiedenen Orten zu arbeiten, hilft mir vor allem dabei, mein Familienleben in Einklang mit meiner Arbeit zu bringen.

/ Philipp Sand, Support Escalation Engineer bei Microsoft Services

In den Genuss dieser Freiheiten dürfen die meisten Microsofties kommen – außer jene Wenige, die aus bestimmten Betriebsabläufen an ihr Büro gebunden sind. In Redmond, wo Microsoft seit dem Jahre 1986 haust, ist das folglich auch der Fall. Und 1986 war eine Zeit, in der suburbane Gegenden im Trend waren. Der Microsoft Campus umfasst inzwischen um die 80 Gebäude auf ca. 202 Hektar. Er befindet sich 21 Kilometer östlich von der Stadtmitte Seattles. Doch inzwischen haben sich viele Unternehmen dazu entschlossen, ihre Standorte und Büros in in die Nähe der Stadtmitten zu verlegen.

Employee’s tastes have changed. Thirty years ago, they wanted to be on a college campus. If Microsoft thinks they’re losing employees, they might try to make it more of an urban campus.

/ Matt Griffin, Partner von der Pine Street Group LCC aus Seattle

Zurzeit versucht Microsoft – nebst den Überlegungen zur Renovierung der Gebäude – bereits das Maximum aus dem Vorhandenen herauszuholen: Die eigenen Freizeitparks sollen stärker hervorgehoben werden, neue Fußgänger- und Radwege werden geschaffen und eine Bahnstation ist in Planung, die unter dem Titel ‚Redmond Technology Center Station‘ 2023 eröffnen soll. Microsoft möchte und muss im Hinblick auf den Wettbewerb am Puls der Zeit bleiben, auch als Arbeitgeber.

Nun, wie passt das mit One Microsoft zusammen?

Einerseits muss Microsoft eine Richtung vorgeben, die für den gesamten Konzern gilt. Wo, wenn nicht am Hauptstandort in Redmond? Ein Vorbild der Strategie, der Philosophie, der Arbeitsräume und Freizeitareale, der Zusammenarbeit und Innovation. Und durch einen der wohl bekanntesten Architekten mit einem Sahnehäubchen Extravaganz. Sowieso werden die Niederlassungen außerhalb der USA schon vom dortigen Arbeitsklima beeinflusst, was gut am hierarchieübergreifenden Duzen erkennbar ist.

Andererseits passt sich der Konzern mit einer Renovierung in Redmond dem Standard anderer und neuer Niederlassungen an, beispielsweise der in München. Dass die Idee nicht ganz abwegig ist, zeigen die neuen Hauptsitze von Google und Apple.

Des Weiteren bilden die Mitarbeiter mit einer einheitlichen Gebäude- und Arbeitsplatzstruktur eine Einheit, und das weltweit. So arbeiten Niederlassungen außerhalb der USA bereits intensiv mit dem Hauptstandort zusammen und auch Seminare an anderen Standorten sind keine Seltenheit.

One Microsoft, One Strategy. Ja, das ist hier gut zu erkennen. Ob man im Café in Rio de Janeiro oder in der Bahn von Frankfurt nach München sitzt, macht keinen Unterschied. Denn (fast) jeder Microsoft-Angestellte kann arbeiten, wo und wann er möchte.

Unterschiedliche Szenarien bedeuten unterschiedliche Apps

An dieser Stelle lassen wir selbst das heiß diskutierte, von Microsoft gerechtfertigte und von Google und dann selbst Microsoft wieder verworfene „Hamburger-Menü“ nicht aus unserer Betrachtung außen vor. Inwiefern ist dieses in den hauseigenen Apps konsequent umgesetzt und wo sind noch die altbekannten Pivots zu sehen?

Es scheint so, als hätte sich Microsoft im Rahmen der Möglichkeiten der neuen Universal App Plattform anfangs zu sehr auf die einheitliche Umsetzung aller Apps konzentriert: So wurde nahezu allen Windows 10-Apps ein „Hamburger-Menü“ spendiert. Schlussendlich wäre dies jedoch auf eine halbherzige Umsetzung hinausgelaufen. Denn damit übersah der Konzern die Wünsche der Nutzer, nämlich primär eine benutzerfreundliche Oberfläche zu besitzen. Und nicht jede App eignet sich für ein solches Menü.

Inzwischen hat sich Microsoft dem Feedback angenommen und einigen Apps eine von Windows Phone bekannte Struktur zurückgegeben – die Pivot-Menüs. Gleichzeitig kann das „Hamburger-Menü“ die Übersicht durch eine platzsparende Schaltfläche mit ausklappbarem Menü erhöhen. Ein gutes Beispiel bietet die App MSN Finanzen, an der man erkennen kann, wie viele weitere Informationen und Möglichkeiten das neue App-Design (links) bietet:

msn_finanzen_neualt

Wozu ist welches Menü also zuständig?

  • Hamburger-Menü: Durchstöbern der (Haupt-)Kategorien
  • Pivot-Menü: schnelles Wischen durch ausgewählte Kategorie

Doch unterschiedliche Einsatzszenarien und Betriebssysteme setzen unterschiedliche App-Designs voraus, um die maximale Funktionalität und Benutzerfreundlichkeit zu bieten. Als gutes Beispiel dient die neulich überarbeitete Skype-App für iOS und Android, die nun für jedes Betriebssystem ein eigenes Design besitzt:

skype-6.0-for-android

Es ist zu erkennen, dass sich Microsoft im Rahmen von Skype erstmalig den jeweiligen Designsprachen von iOS und Android (Material Design) vollständig gewidmet hat. Die Formen, die Art und Weise der Naviagation innerhalb der App, die Anordnung der Elemente – alles scheint gut abgestimmt zu sein.

skype-6.0-for-ios

Was heißen will, dass der Konzern aus Redmond nicht zwangsweise auf identische App-Designs zurückgreifen, sondern vielmehr das Maximum für die jeweilige App oder Plattform herausholen möchte. One Microsoft bezogen auf Apps heißt für uns, dass Microsoft eine intuitive Bedienbarkeit mit gewissen Wiedererkennungsmerkmalen – beispielsweise das Hellblau von Skype oder das Ribbon-Menü in Office – realisiert. Dabei ist die Kompatibilität untereinander mit all den jeweiligen Vor- und Nachteilen der Betriebssysteme und Geräteklassen/-größen sehr wichtig. Dies funktioniert beispielsweise durch eine nahtlose Synchronisation von Skype-Nachrichten, von E-Mails über Exchange oder von Dateien über OneDrive.

Luxusfehler beim App-Design und Online-Angebot

Doch One Microsoft heißt auch wieder, dass sich ein implementiertes „Hamburger-Menü“ – gerade im Bezug auf die hauseigenen Apps – immer gleich anfühlen und verhalten muss. Und auch in anderen Bereichen des App-Designs finden sich noch gewisse Inkonsequenzen wieder.

So bestehen die Überschriften der Pivot-Menüs manchmal aus Großbuchstaben (Kontakte-App), teilweise aber auch aus gewöhnlicher Druckschrift (MSN-Apps).

 

Auch gibt es (noch) keine konsistente Stelle, an der man die App-Einstellungen finden kann.

Und in einigen Fällen schiebt sich das „Hamburger-Menü“ über den Kontext, in anderen Fällen schiebt es diesen beiseite. Die Jumplisten (zum Beispiel die Buchstaben in der App-Liste) sehen zum Teil unterschiedlich aus und einige Funktionen sind nach wie vor unglücklich am oberen Rand des Displays angesiedelt.

Auch die Online-Dienste sind leider nicht einheitlich aufbereitet: Beim Aufrufen von Outlook.com erhält der Nutzer ein Menü, welches allerdings nicht die Form eines „Hamburger-Menüs“ annimmt, sondern aus neun Punkten besteht. Wieso setzt Microsoft hier nicht auf eine Vereinheitlichung und kennzeichnet das Menü mit dem gleichen „Hamburger“? Sicherlich kann man dies damit begründen, dass es sich hierbei nicht um ein App-internes Menü handelt. Hiermit öffnet man nämlich erst unterschiedliche Online-Apps. Doch gerade für ältere Nutzer können diese Unterschiede zum Hindernis werden.

Outlook.com Menü

Des Weiteren unterscheiden sich die Menüs der unterschiedlichen Online-Angebote. Vergleicht man das Menü von Outlook.com mit dem von zum Beispiel Docs.com, so stellt man fest, dass sich diese um den Docs.com-eigenen Eintrag unterscheiden – von ein paar minimalistischen Details einmal abgesehen.

Docs.com Menü

Und zuletzt fragen wir uns, weshalb hier nicht Skype Web integriert ist, obwohl dies inzwischen zur Office-Suite gezählt wird und auch die anderen Office-Online-Apps im Menü einen Platz gefunden haben?

Nun mögen einige Nutzer sagen, dass diese feinen Unterschiede doch nicht sonderlich relevant sind. Doch gerade diese Nuancen machen den Unterschied zu Apple aus. Und in diesem Bereich stellt Apple definitiv Konkurrenz dar – gerade, wenn Microsoft mit hochwertigen Geräten und nicht ausgefeilter Software zum Angriff ausholen möchte.

One Microsoft ohne Windows Phone?

Windows Phone-Nutzer bemängelten seit der Öffnung von Microsoft für Plattformen des Wettbewerbes oftmals die Vernachlässigung der Apps für das hauseigene Betriebssystem. Genannt werden kann an dieser Stelle die Office-Suite, die seit dem Erscheinen von Windows Phone 8 nur noch begrenzt gepflegt wurde. Dagegen veröffentlichten die Redmonder inzwischen ausgefeilte Apps für iOS und Android, die der Version für Windows Phone in nahezu allen Angelegenheiten überlegen war. Da kann man das ‚Redesigned around you‘ auch ganz anders verstehen.

Windows-Phone-8.1-Redesigned-Around-You

Woran das liegt? Wie kann dieses Verhalten vor treuen Windows-Nutzern und Microsoft-Fans gerechtfertigt werden, die aus Liebe zu Microsoft für Jahre Abstriche gemacht haben?

Sicherlich verfolgt Microsoft hierbei verschiedene Strategien und Ansätze:

  • Mit der Veröffentlichung der Office-Apps für andere Plattformen reagiert Microsoft auf die wachsende Konkurrenz kostenloser Office-Alternativen (zum Beispiel iWorks für das iPad). Die Kernfunktionen wurden gar kostenlos gemacht, was eines der wichtigsten Exklusivmerkmale der hauseigenen Plattform streicht. Durch die geringe Bereitschaft, für mobile Apps Geld auszugeben, war dies jedoch notwendig.
  • Grundsätzlich möchte Microsoft, dass sich alternative Office-Apps erst gar nicht etablieren können und die eigene Office-Suite nicht an Relevanz verliert. Durch die starke Präsenz von Android und iOS war ein Strategiewechsel sicherlich notwendig, um auch bei diesen Betriebssystemen ein Stück vom Kuchen abzubekommen.
  • Gleichermaßen ergreift der Konzern Möglichkeiten, wie die Integrierung von der Sprachassistentin Cortana in Cyanogen OS.
  • Durch die größere Nutzerzahl können kann Microsoft relativ schnell viele potentielle Kunden erreichen.
  • Android-Apps werden als Testballon genutzt, da durch die vielen Nutzer schnell eine große Menge an Feedback gesammelt werden kann. Dieses kann dann in die Entwicklung der Apps für Microsofts Betriebssystem einfließen. Dies mag auch ein Grund sein, weshalb die eine oder andere App erst verspätet auf Windows Phone erscheint.

So gut die Gründe für eine spätere Veröffentlichung der Apps auf dem hauseigenen Betriebssystem auch sein mögen, die Nutzer sind weniger begeistert. In diesem Punkt gibt es im Hinblick auf One Microsoft noch Nachholbedarf, da oftmals wichtige Funktionen erst mit späteren Updates nachgereicht werden. Und wozu gibt es schließlich Konzepte wie das Microsoft Insider Programm, wenn wir Windows-Nutzer die Funktionen doch erst später erhalten?

Auch unsere Nutzer von WindowsArea.de beklagen sich über die aktuelle Situation und wünschen sich mehr Wertschätzung aus Redmond. Dabei spielen auch die neuen Flagschiffe eine Rolle. Zwar konntet ihr es bisher weder in den Händen halten noch das Design abschließend beurteilen. Doch ähnelt das Design ziemlich den Einsteiger- und Mittelklassegeräten der Lumia-Produktreihe und sticht nicht mit einem besonderen Aussehen hervor, wie es beispielsweise das Lumia 930 tat. Ein auf diesen Umstand bezogener Kommentar aus der Community:

Wenn ich mal ein hässliches Handy mit abgerundeten Kanten und onscreen Tasten möchte, werde ich es mir holen. Wenn nicht noch wirklich ein Surface Phone kommt das mit Leistung und Optik überzeugt kann mich ms mal. Zumal ich ja von der Konkurrenz auch alle MS Apps und Dienste nutzen kann.

/ Tidus1983, WindowsArea.de Community

Ob mit so einer Strategie die Kundenbindung durch Windows Phones nach hinten losgehen kann? Insgesamt glauben wir jedoch, dass sich die Situation bessern wird und Microsoft ihre Marktposition stärken kann. Denn durch die Öffnung hat Microsoft in unterschiedlichsten Bereichen einen Fuß in der Tür und kann Trends somit besser aufgreifen. Ein Thema für sich, wo Microsoft vor einigen Jahren die Relevanz von Smartphones ohne Tastatur noch verneinte. Die Universal Windows Apps und Windows 10 Mobile setzen bereits neue Trends. Und wer weiß, ob neue Kooperationen nicht auch für Windows-Nutzer gewisse Vorteile bringen?

Windows 10 und Universal Apps

An dieser Stelle möchten wir nur kurz auf Windows 10 eingehen, da wir an vielen anderen Stellen bereits diverse Informationen veröffentlicht haben.

Wichtig ist zu sagen, dass Microsoft sich bei der Gestaltung von Windows 10 bemüht und die Nutzer mit einbezieht, beispielsweise bei der Wahl neuer Symbole, die zum flacheren Design passen, das im neusten Windows Anwendung findet. Auch die Kontextmenüs werden stetig verbessert (auch in der neusten Build 10565) vereinheitlicht und flexibel gestaltet, damit Nutzer von Touch-Geräten angemessen große Schaltflächen haben.

Windows10-Store_Titelbild

Die neuen Universal Apps geben Windows natürlich ein ganz neues Potential, gerade bei der einheitlichen Bedienung geräteübergreifend und im Hinblick auf Windows as a Service (WaaS). Hier ist Microsoft dem Wettbewerb voraus. Und ein neuer Bericht von Microsoft zeigt, dass der durchschnittliche Benutzer sechs mal so viele (Universal) Apps unter Windows 10 herunterlädt, als er es noch unter Windows 8(.1) tat.

Ein geeignetes Beispiel sind die neuen Einstellungen, in denen schon ziemlich viele Konfigurationsmöglichkeiten Einzug erhalten haben. Bezogen auf die Desktop-Version fehlen hier jedoch noch einige Elemente der Systemsteuerung. Sicherlich ist es schwer, alles zu implementieren, da auch andere Programme Verknüpfungen zu Einstellungen hier ablegen können. Die meisten Nutzer finden hier sicherlich Einstellungen zu Adobe Flash als auch Outlook vor. Doch auch andere Dinge, wie die Microsoft Management Console (MMC), fehlen noch. Der Wille ist jedoch vorhanden.

Des Weiteren wird das Startmenü mit Windows 10 leider nicht mehr geräteübergreifend synchronisiert, wie es bei Windows 8(.1) noch der Fall war. Da der Benutzer die Wahl der zu synchronisierenden Elemente hatte und diese Möglichkeit auch gut zu One Microsoft passt, verstehen wir das Entfernen der Funktion umso weniger. Begründet wird sie schlicht mit den unterschiedlichen Formfaktoren und den sich daraus ergebenden verschiedenen Anforderungen an die jeweiligen Startmenüs.

Zusammenspiel zwischen Office 2016, Outlook.com und Windows Phone

Was ich persönlich als noch nicht wirklich gelungen betrachte? Das Zusammenspiel zwischen den Online-Diensten, der Office-Suite und den hauseigenen Geräten. Hier gibt es einige Probleme, die ein wirklich produktives Arbeiten schnell zu einer Qual werden lassen können oder gar neue und potentielle Nutzer abschrecken:

  • Kontaktbilder werden zwar zwischen den Geräten synchronisiert, sind online allerdings nicht sichtbar und können dort ebenso wenig bearbeitet werden.
  • Online oder auf dem Windows Phone erstellte Kontaktgruppen werden nicht korrekt mit Outlook 2016 synchronisiert. Sofern man den nicht ganz abwägigen Plan hat, diese als Verteilergruppen zu nutzen, ist dies nur begrenzt durchführbar: Ausschließlich online oder auf dem Windows Phone (sofern die Mitgliederanzahl maximal 25 beträgt) ist dies möglich. Eine komfortable Lösung steht leider noch aus.
  • Im Microsoft-Account eingetragene Aliase – eine sehr praktische Funktion – sind leider nur online nutzbar. Hier kann man beim Verfassen oder Antworten einer E-Mail die Absender-Adresse auswählen. Dies ist in Outlook 2016 leider nicht der Fall. Auch in der Windows 10 Mail-App wurde die Funktion herausgenommen, wobei es sie in Windows 8.1 noch gab. Wenn Microsoft diese Funktion also schon einbaut – weshalb wird sie dann nicht korrekt umgesetzt? Ein Microsoft-Account mit verschiedenen E-Mail Adressen für beispielsweise Privates, Soziale Netzwerke, Foren und Unternehmen ist doch eine wirklich schlaue Idee!
  • Für einige Kontaktfelder gibt es unterschiedliche Namen. So heißt es im Windows Phone und in Office 2016 zum Beispiel „Notizen“, online wird es „Mitteilungen“ genannt.
  • Nur im zu Outlook.com dazugehörigen Online-Kalender ist es möglich, Termine zwischen verschiedenen Kalendern zu verschieben. In Outlook 2016 geht dies nicht. Ebenso wenig über das Windows Phone und die Kalender-App.

Da stellt sich die Frage: Ist Office (für den Desktop) wirklich für Privatkunden programmiert? In Unternehmen hat Office schließlich eine Quasi-Monopolstellung und wird auch nach wie vor über die Funktionalitäten gelobt.

Wie auch immer die Antwort hierauf ausfallen wird – Microsoft bewirbt es ja ganz klar auch für Privarkunden, weil auch diese einen wichtigen Kundenstamm darstellen. Und die mit Windows 10 eingeführten Office-Apps stellen auch keine Alternative für einen Heimanwender dar, der halbwegs professionell mit Office arbeiten möchte. Diese sind sowohl noch nicht komplett ausgereift als auch bilden sie nicht alle Funktionen ab, die Privatnutzer nutzen möchten.

Schließlich bleibt uns als Nutzer von Microsoft-Diensten nichts anderes übrig als die Office-Suite. Und umso ärgerlicher ist es, dass Microsoft sich keine Zeit nimmt, diese Feinheiten zu korrigieren, um ein nahtloses Zusammenspiel – eben One Microsoft – zu ermöglichen.

Bing, Cortana, Zune und Band (2)

Weitere Ungereimtheiten fallen uns bei der Suchmaschine Bing und bei der Sprachassistentin Cortana auf: So hat Bing in den USA einen deutlich höheren Marktanteil als in Europa, da die Suchmaschine dort mit mehr Funktionen aufwarten kann und passenderen Inhalt aufweist. Außerdem können Bing und Cortana dort regelmäßig die Ergebnisse wichtiger Sportveranstaltungen vorhersagen. In den anderen Teilen der Welt ist Bing leider noch nicht so länderspezifisch optimiert.

Microsoft Band 2 Titelbild

Neben der Spielekonsole Xbox, den Smartphones der Lumia-Produktreihe, der Surface-Convertibles und weiterer Hardware gibt es zwei Beispiele an Technik, die auch leider nur wenigen Ländern vorbehalten sind – der Mediaplayer Zune einschließlich der kürzlich komplett eingestellten Dienste und vermutlich selbst die zweite Generation des Microsoft Band. Die erste Version kann/konnte nur über Umwege erworben werden und Aktionen wie diese von Amazon UK haben gezeigt, wie begehrt die hier nicht verfügbare Hardware doch ist.

Strategie für Premium-Geräte

Panos Panay, ehemaliger Vice President für die Surface-Abteilung, spielt im Konzern aus Redmond eine immer größer werdende Rolle. Mit einem Auge für das Detail ist er seit dem Abgang von Stephen Elop für die gesamte Sparte der Premium-Geräte zuständig. Rennomierte Magazine wie CNN bezeichnen ihn sogar als Microsofts Jony Ive – den Chefdesigner von Apple.

Panos Panay is Microsoft’s Jony Ive – a design guru who pays extreme attention to detail.

Dies demonstrierte er auch mit viel Herzblut auf dem Oktober-Event in New York.

surface-book

In einem Interview mit The Verge hat Panos Panay nun seine Sichtweise auf die Premium-Geräte von Microsoft offengelegt und Spekulationen zu einem Surface Phone weiter angeheizt.

Grundsätzlich möchte Microsoft mehr Geräte „neu erfinden“ und die OEM-Partner in gewisser Art herausfordern, das Bestmögliche aus ihren Geräten herauszuholen.

In Surface we look at it that we’re going after premium and we want to reinvent categories. That’s why it was never just a Laptop. Let’s inspire, let’s push to reinvent. Let’s give something others to look at and go…

Sind wir da wieder bei den altbekannten Vergleichen zwischen einem PC und einem Mac angelangt?

Ja, allerdings in einer kooperativeren Weise. Sicherlich tritt Microsoft mit ihren neuen Geräten in direkten Wettbewerb mit Apple, was Panos Panay auch offen zugibt. Andererseits kann Microsoft sogar neue Trends setzen.

Die Frage, die uns an dieser Stelle wirklich stark interessiert, ist die Zukunft des Designs der Smartphones. Wie bereits angesprochen, fiel und fällt die Resonanz für die vorgestellten Lumia 950(XL) lange nicht so gut aus wie die für beispielsweise das Surface Book.

We’re not confused, we’re not making any Claims but we have a team with a commitment to getting awesome products. There will be generations of hardware that come with it; it will be telling and it will make a difference. We’re not going to let go, we’re pushing hard.

Auf die konkrete Frage nach einem Surface Phone antwortet er ebenso.

That’s a question I get asked a lot. […] I think what you have to think with overall devices is making sure we are able to get that consistent premium fit and finish that people are expecting from Microsoft.

Obgleich die Verfügbarkeit von Premium-Geräten – genannt werden kann aus aktuellem Anlass das Surface Book und das Band der zweiter Generation – weltweit noch stark variiert, möchte Microsoft in Zukunft mehr denn je auf ein konsistentes Design setzen.

One Microsoft, One Strategy: Konsequent oder nur heiße Luft?

Wie so oft, kann man bei diesem Thema auch keine eindeutige Antwort geben. Natürlich haben wir in unserem Artikel insbesondere auf die Schwachstellen aufmerksam gemacht. Insgesamt jedoch leisten die Redmonder – insbesondere unter der Führung von Satya Nadella – gute Arbeit. An vielen Stellen ist Besserung erkennbar und gerade die Universal Apps geben dem Ökosystem ein großes Potential. Und bis Microsoft den Durchbruch geschafft hat, müssen wir uns wohl erst einmal mit den kleinen Dingen im Leben zufriedengeben.

#32 Enjoy the little things.

Dieses Potential gilt es nun zu nutzen und Entwickler davon zu überzeugen, ihre Apps auch für den Windows Store zur Verfügung zu stellen. Und nicht zuletzt ist festzuhalten, dass Microsoft neben den Privatkunden auch sehr stark im Geschäftskundenbereich vertreten ist und dort viele Ressourcen investiert, um Wachstum zu erzeugen.

Eure Meinung ist gefragt!

Wie konsequent verfolgt Microsoft die neue Strategie? Wo seht ihr die Stärken und eventuellen Schwachstellen?

Gefallen euch tiefgreifende Rundumblicke dieser Art? Schreibt uns in den Kommentaren, welche Themen ihr gerne genauer beleuchtet haben möchtet. Interessierten empfehlen einen Blick in das Editorial und die vorangegangenen Artikel Mobile first, Cloud first: Flop oder Top? und Windows as a Service: Zukunft oder Irrglaube?. Beide gewähren einen interessanten Blick hinter die Kulissen.


(Bild-)Quelle(n): Bloomberg via Windows Central, Zune-FAQ, Microsoft Presse, Microsoft Newsroom, The Verge via WinBetaSkype Blog, CNNWMPoweruser, Zombieland Rules, Microsoft Blog

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