Editorial

Windows 10 Mobile ist tot? Vielleicht. Ein Gedankenspiel zu einem Smartphone-Modus in Windows 10

Microsoft hat heute die Kompatibilität des Windows 10-Desktop Betriebssystems mit mobilen Qualcomm Snapdragon-Prozessoren angekündigt. Dank Emulation kann das gesamte Desktop-Betriebssystem auf jenen Prozessoren laufen, die heute in High-End Smartphones verbaut sind und selbst x86-Programme können ohne jegliche Veränderungen ausgeführt werden.

Technische Sensation

Microsofts kurzes Demo-Video zeigt eindrucksvoll, wie gut Windows 10 auf ARM funktionieren kann. Selbst Photoshop startet binnen weniger Sekunden und rechenintensivere Operationen können schnell durchgeführt werden. Es ist aus technischer Sicht sensationell! Microsoft hat es geschafft, das gesamte eigene Betriebssystem auf einer komplett anderen Prozessorarchitektur zu emulieren. Wer Apple beim Umstieg von PowerPC auf Intel gelobt hat, müsste Microsoft heute feiern.

Noch fehlen uns aber viele Details. Das Video zeigt einen Snapdragon 820-Prozessor neben 4 Gigabyte Arbeitsspeicher. Das ist im Prinzip jene Hardware, die auch im HP Elite x3 verbaut ist. Wir gehen aber nicht davon aus, dass Microsoft das Video tatsächlich auf mobiler Hardware aufgenommen hat. Womöglich hat man den Prozessor zusätzlich gekühlt oder ein größeres Gehäuse verwendet mit besserer Wärmeleitung. Das wissen wir aber nicht. Was wir wissen, ist, dass wir heute Photoshop, Word und Windows 10 als Betriebssystem auf Hardware gesehen haben, die für Mobilgeräte vorgesehen ist.

Windows 10 Mobile ist damit redundant? Als eigenes System, ja. Als Interface, nein.

Microsoft hat einen sehr guten Grund, Windows 10 Mobile weiterhin zu entwickeln und dieser nennt sich Bedienbarkeit. Versucht doch, mittels Remote Desktop euren PC vom Smartphone aus zu steuern. Um bei hoher Auflösung irgendwelche Bedienelemente erwischen zu können, müsst ihr meistens das Bild vergrößern, womit aber auch euer Sichtfeld kleiner wird. Ihr müsst herum wischen, die Ansicht mehrmals ändern. Das ist kein gutes Interface für ein mobiles Gerät.

Dass wir nun Photoshop womöglich auf mobiler Hardware ausführen können, heißt aber nicht, dass wir das wollen. Wer schon einmal versucht hat, auf einem 8-Zoll Tablet ein Bild zu bearbeiten ohne Maus und Tastatur, der weiß, dass das unter 6-Zoll undenkbar ist.

Windows 10 mit seinem heutigen Interface samt Desktop hat auf dem Smartphone absolut keinen Sinn! Wenn Microsoft Windows 10 Mobile einstellt, dann passiert das aus einem ganz anderen Grund.

Windows 10 = PC, Tablet, Whiteboard, Mixed Reality, Xbox. Wieso nicht auch Smartphone?

Windows 10 Mobile könnte ein Teil von Windows 10 werden. Windows 10 ist jetzt schon ein Betriebssystem für Tablets, Convertibles und PCs. Es gibt einen Tablet-Modus, der euch vollkommen auf den Desktop verzichten lässt und einen traditionellen Desktop für PC-Nutzer. Windows 10 ist aber jetzt auch schon ein Workspace und zwar läuft auf dem Surface Hub eine eigens dafür zugeschnittene Version des Betriebssystems.

Mit dem Windows 10 Creators Update kommt Windows 10 auf eine weitere Geräteklasse und zwar auf Mixed Reality-Headsets. Windows Holographic ist das Windows 10 Interface für VR- und Augmented Reality-Brillen. Heute hat man auch angekündigt, dass Project EVO das System sogar auf Amazon Echo-ähnliche Geräte bringen wird.

Aktuellen Gerüchten zufolge plant Microsoft auch ein Interface für Fernseher. Das Xbox-Betriebssystem und Windows 10 sollen zusammenwachsen und zwar bereits mit Project Scorpio, Microsofts Konsole, welche Ende 2017 erscheinen wird.

Ihr versteht vermutlich bereits, was ich damit sagen will. Wenn Windows 10 bereits auf all diesen Plattformen laufen kann und die Kompatibilität zu ARM hergestellt wird, dann steht einem Smartphone-Modus unter Windows 10 nichts mehr im Weg. Microsoft müsste das Windows 10 Mobile-Interface schlichtweg in die Plattform implementieren und Hersteller dieser Geräte können dann den entsprechenden Modus per Firmware aktivieren.

Continuum als PC-Killer

Darüber hinaus darf man natürlich nicht jene Features vergessen, welche Windows 10 Mobile bereits bietet, beispielsweise Continuum. Sobald das Smartphone nämlich an ein größeres Display angehängt wird, schaltet sich der Smartphone-Modus ab und wechselt in den Desktop-Modus. Dort startet ihr dann Photoshop, Word oder andere x86-Programme eures täglichen Bedarfs, steckt Maus und Tastatur an und könnt tatsächlich euren Desktop vollkommen ersetzen.

Schlusswort

Das klingt nach sehr viel Spekulation und Zukunftsmusik, ist es auch, aber es ist tatsächlich gar nicht so unwahrscheinlich, wenn man die jüngsten Entwicklungen rund um Microsofts Systeme betrachtet. Alles wächst zusammen zu einer großen Plattform. Desktop, Notebook, Tablet, Whiteboard, Mixed Reality, Xbox und schließlich Windows 10 Mobile.

Windows 10 Mobile als Plattform mag diesen Schritt tatsächlich nicht überleben, aber das Äußere der Plattform, was wir Nutzer täglich sehen, wird in Windows 10 fortbestehen.

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"Entdeckung besteht darin, den gleichen Gegenstand wie alle anderen zu betrachten, sich aber etwas anderes dabei zu denken."
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