Editorial

Ein durchschnittliches Mid-Range Samsung Android-Smartphone aus Sicht eines Windows 10 Mobile-Nutzers

Android ist vermutlich objektiv gesehen das beste Betriebssystem auf dem Smartphone-Markt. Mit dem richtigen Gerät, etwas Wissen über Custom ROMs und es ist beinahe alles möglich. Das ist, was mich persönlich an der Plattform reizt, jedoch geht es nicht allen Kunden so. Es gibt für praktisch jeden Wunsch eine App oder ein Modul, ob ihr nun ein anderes Interface oder ganz speziell die Temperatur des Prozessors in der Statusleiste sehen wollt. Als ich zu Windows Phone gewechselt bin, war iOS meiner Ansicht nach noch schön (iOS6) und Android ruckelte selbst auf High-End Geräten. Es war mit ein Grund dafür, dass ich seit Windows Phone 7 das System nutze.

Wenn mir ein Android-Gerät ins Haus kam, dann war es ein sehr gezielter Kauf. Es sollte ein Gerät zum Experimentieren sein, ich sollte das System, den Kernel, das Interface, einfach alles selbst konfigurieren können und aus einer großen Auswahl wählen können. Ich hatte ein Nexus 4, Nexus 5 und ein OnePlus X hauptsächlich deswegen gekauft, weil ich daran modifizieren konnte, so viel ich wollte. Trotz der vielen Einstellungsmöglichkeiten fand ich immer wieder zu Windows Phone zurück, obwohl die Android-Geräte mich hardwaremäßig durchaus beeindrucken konnten. Vor allem das OnePlus X ist ein wundervolles Gerät, auch Android ist darauf großartig, aber richtig anfreunden konnte ich mich damit nie.

Warum ein Mid Range Samsung-Smartphone?

Als nun ein Neuvertrag bei einem österreichischen Netzanbieter anstand, gab es kein einziges Windows Phone zur Auswahl. Ich wollte keine 500 Euro Anzahlung leisten für ein iPhone oder ein Galaxy S7, die ich erfahrungsgemäß ohnehin nie allzu lange verwenden würde. Zudem es die Geräte bei manchen Angeboten auch neu und ohne Vertrag zu diesen Preisen gibt. Daher entschloss ich mich, ein kostenloses Smartphone zu nehmen und auch da gab es nicht viel Auswahl: Huawei P9 Lite oder Samsung Galaxy A5 (2016). Ich entschied mich für Letzteres, ganz einfach aufgrund des Designs. Custom ROMs gibt es für dieses Gerät so gut wie keine, aber dafür interessiert sich auch die große Mehrheit der Nutzer nicht. Sie nehmen das Smartphone, packen ihre SIM-Karte rein und leben damit. Das wollte ich auch tun und ich wollte sehen, was die große Mehrheit der Kunden an diesen Geräten so beeindruckend findet.

Erster Eindruck

Vier Wochen Lieferzeit später war es da und der erste Eindruck war großartig. Wow! Dass man bei einem recht günstigen Handyvertrag ein so hochwertig verarbeitetes Smartphone bekommt, hatte mich gewundert. Selbst das einst sehr teure Lumia 950 kommt nicht an dieses Niveau heran, auch ein HP Elite x3 nicht. Aluminium-Rahmen und Glas-Rückseite, ein schönes FullHD-AMOLED Display und ein Fingerabdruck-Sensor beim Home-Button. Wieso kann Microsoft das nicht? Wieso gibt es das bei keinem Windows Phone? Natürlich war die Kamera sehr mittelmäßig und die Performance nicht immer auf Top-Niveau, aber es reicht für den Alltag. Android ist in den letzten Jahren auch auf Mid-Range Hardware richtig gut geworden. Es ruckelt zwar gelegentlich, wenn man eine App öffnet und darin sofort scrollt, aber es ist ausreichend flott für den Alltag.

Software Bloatware

Der überaus positive erste Eindruck war allerdings sofort vergessen als ich das Gerät eingerichtet hatte. Samsungs TouchWiz Interface sieht aus als wäre es von einem 5-Jährigen gestaltet worden, aber das Design ist noch meine geringste Kritik. Dieses lässt sich dank Themes und Icon Packs problemlos ändern. Die Töne, die bei jedem Drücken des Displays zu hören sind, lassen das Smartphone wie ein Kinderspielzeug wirken, dabei sieht es äußerlich unglaublich edel aus.

Samsung-Apps

Was mich aber wirklich außerordentlich gestört hat, das war die vorinstallierte Software bzw. eher Bloatware am Gerät. Es gibt sieben Apps vom Netzbetreiber, sechs Apps von Microsoft sowie eine Vielzahl an Google- und Samsung-Apps. So gibt es zwei Apps für die Bildergalerie, wobei die Kamera standardmäßig nur jene von Samsung öffnet, egal, wie man die Standardeinstellung gewählt hat. Ich will Google Fotos, aber Samsung will mich eben nur die Galerie nutzen lassen. Es gibt drei Apps für Notizen, zwei Mail-Apps, zwei Musikplayer, zwei Videoplayer, etc. Wozu? Im Vergleich zu Windows Phone ist das System unglaublich aufgebläht. Das schadet meiner Meinung nach dem Benutzererlebnis erheblich.

Während sich unter Windows 10 Mobile sämtliche Nicht-System-Apps deinstallieren lassen, geht das bei keiner einzigen vorinstallierten Anwendung auf dem Samsung Galaxy A5 (2016). Manche Google-Apps lassen sich deaktivieren, jedoch nicht alle, denn die Google Play-Dienste werden für den Play Store benötigt. Ohne PlayStore keine Apps. Oder naja, doch. Denn mein Netzbetreiber installiert den Amazon App Shop vor und Samsung sogar einen eigenen AppStore. Die wertlosen Samsung-Apps lassen sich nicht einmal deaktivieren. Die integrierte Mail-App ist lächerlich, kann aber nicht deaktiviert werden, der Samsung Browser ebenso. Das ließe sich unendlich lange fortführen.

Es ist für mich einzig und allein verwunderlich, dass es sich ein Hersteller erlauben kann, die Geräte mit so viel Schrott zu beladen und dennoch Marktführer sein kann. Ich brauchte mehrere Tage bis das Smartphone komplett eingerichtet war, weil die Bloatware einfach im Weg war. Wenn der eigene Google-Account gleich ist mit der eigenen Microsoft Outlook-Mailadresse, gibt es zum Beispiel keine Möglichkeit, die Kontakte von Outlook zu synchronisieren, wenn man Googles Gmail-App verwenden will. Man muss Samsungs wertlose Mail-App verwenden oder eben auf Microsofts eigene App zurückgreifen, was ich natürlich auch tat. Will ich aber unbedingt Gmail nutzen, weil es die bessere vorinstallierte Mail-App ist, dann geht das nicht. Wozu Samsung eigene Dienste vorinstalliert, verstehe ich nicht, wenn man ohnehin gezwungen ist, die Google Apps auf die Geräte zu laden.

Dateimanager

Ebenfalls ein interessanter Nachteil der Android-Plattform betrifft den Dateimanager. Beim Upload und der Verwaltung von Dateien ist man unter Windows 10 Mobile tatsächlich freier als unter Android, zudem der integrierte Download-Manager auf Googles Plattform ein Witz ist. Das ist kein Dateimanager, sondern eine Liste der kürzlich verwendeten Fotos und Dokumente, in der man zudem nicht einmal alle Dateien öffnen kann.

Tastatur

Zuletzt nennenswert ist die Tastatur. Android bietet eine Vielzahl an Optionen im PlayStore, die allesamt untereinander austauschbar sind. Das Konzept gefällt mir sehr gut, aber überzeugen konnte mich keine Tastatur wirklich. Vorinstalliert ist Samsungs eigene Tastatur, die meiner Meinung nach ein Horror ist zum Tippen. Googles eigenes GBoard verfolgt ein nettes Konzept, aber auch daran konnte ich mich lange nicht gewöhnen. Fleksy und Microsofts SwiftKey sind noch die besten Drittanbieter-Tastaturen, aber auch die kommen wirklich nicht an WordFlow in Windows 10 Mobile heran. Tatsächlich ist es so, dass WordFlow in Windows Phone 8.1 vor allem auf Deutsch gefühlsmäßig besser war als unter Windows 10 Mobile, dennoch schlägt es heute sämtliche von mir getestete Android-Tastaturen um Längen.

Android Vorteile

Android wäre nicht Android, wenn man auch ohne Root und Custom ROM eine ganze Menge anstellen könnte. Samsung raubt dem Nutzer zwar die Möglichkeit, die vorinstallierten Apps zu deinstallieren oder zu deaktivieren, sodass sie am Startbildschirm standardmäßig angezeigt werden.

Man kann allerdings schlichtweg eine andere Launcher-App installieren und das Design ändern. Microsofts Arrow-Launcher erlaubt beispielsweise sogar, Apps zu verstecken, sodass ich die Samsung Apps wenigstens nicht mehr sehen musste und sie keinen Platz mehr am Startbildschirm verbrauchten. Man kann es sich also durchaus so einrichten, wie man es braucht und das erkenne ich auch als eine der großen Stärken der Android-Plattform an. Da ich aber die Live-Tiles sehr gut finde, bedarf es dieser Änderung einfach nicht. Das ist sicherlich Geschmacksache.

Apps, Apps und noch mehr Apps

Ich würde lügen, wenn ich sage, dass ich den PlayStore ungern auf Windows 10 Mobile sehen würde. Die Fülle an hochqualitativen Anwendungen ist unglaublich groß. Spotify mit allen Features, die man sich wünscht, eine vorhandene WordPress-App, Facebook und Instagram, die keine iOS-Portierungen sind und selbst die Microsoft Apps sind von sehr hoher Qualität. Wenn die Windows Phone-Apps entsprechend der Android-Apps aktualisiert worden wären, gäbe es für diese nur noch Lob von der Community. Nicht alle Apps sind perfekt und gewisse Anwendungen machen gerne Probleme auf neuen und weniger verbreiteten Geräten, vor allem bei Apps von US-Unternehmen in Kombination mit Smartphones, die es in den USA nicht gibt. Das ist aber Jammern auf sehr hohem Niveau und gäbe es derartige Apps für Windows 10 Mobile, würde sich wohl kein Nutzer beschweren.

Das wirft die Frage auf, ob es von Microsoft richtig war, Project Astoria zu begraben. Immerhin hätten damit sehr viele Apps aus dem PlayStore auch in den Windows Store kommen können. Die Entscheidung wurde aber am Ende genau deswegen auch so getroffen, denn es schadete der Universal Windows Plattform. Es wäre nämlich eine Entscheidungsfrage gewesen, ob man nur für Windows 10 Mobile eine App anbieten will oder auch für Windows 10 am Desktop als UWP. Spotify wäre definitiv ein solcher Kandidat gewesen.

Microsoft macht den Wechsel leicht

Ich verstehe jeden Windows-Nutzer, der aufgrund der aktuellen Lage des Systems zu Android wechselt. Von Microsoft gibt es mittlerweile keine aktuelle Hardware, nicht wirklich neue Perspektiven und die Vielzahl an Apps kann Microsofts mobiles Betriebssystem nicht bieten. Das sind gute Gründe zum Wechsel, die ich absolut nachvollziehen kann. Zudem die Android-Hardware auch sehr attraktiv ist.

All das gibt es allerdings bei Android und auch iOS, vor allem aber ist auch die Qualität der Microsoft-Apps wirklich sehr gut. Ich kann mich zwar über Office Mobile auf meinem Xiaomi Mi4 mit Windows 10 Mobile überhaupt nicht beschweren, aber Outlook Mail und der Kalender könnten durchaus eine Erneuerung vertragen. Das wird noch eine ganze Weile dauern, aber es soll kommen, sagt Microsoft. Generell ist Microsofts aktuelle Smartphone-Strategie außerordentlich intransparent, was womöglich auch daran liegt, dass man es selbst nicht besser weiß. Man weiß, Windows muss auf ultramobile Geräte, aber ob das dann der Formfaktor Smartphone sein wird, das ist wohl unklar.

Microsoft wird sicherlich Ideen in diesem Bereich haben und ich spekuliere darauf, dass diese Idee etwa dem entsprechen wird, was ich mir von einem Smartphone erwarte und vielleicht sogar noch mehr bieten wird. Windows 10 auf ARM wird eine ganze Menge interessanter Möglichkeiten schaffen und auf diese bin ich persönlich schon sehr gespannt.

Meine Meinung: Nachteile überwiegen

Sollte Microsoft dieses nächste große Ding noch präsentieren bevor mein aktuelles Xiaomi Mi4 und das ihm nachfolgende Lumia 950 XL den Geist aufgeben, erst dann werde ich über ein Upgrade nachdenken. Wenn es dann nichts Passendes von Microsoft gibt, dann werde ich mich wohl mit iOS oder Android anfreunden müssen. Solange ich aber mit den Geräten zufrieden bin, die ich habe, kommt für mich ein solches Android-Smartphone nicht infrage. Tatsächlich ist das, was Samsung daraus macht für mich absolut unverständlich. Man verschlechtert das Benutzererlebnis, legt ein hässliches Design darüber und zwingt den Nutzer wertlose Apps zu verwenden. Android als Betriebssystem selbst schätze ich sehr und die reine Google-Experience auf OnePlus- oder Nexus-Smartphones gefällt mir durchaus, denn es ist genau das Äquivalent zu dem, was Windows Phone-Nutzer eben nur mit Microsoft-Diensten haben. Aber wirklich warm werde ich mit dem System Android nicht. Die Einfachheit und auch das Arbeitstempo gefällt mir unter Windows 10 Mobile mehr sowie auch die enge Verknüpfung mit Windows 10.

Das ist eine Meinung, die 99 Prozent der Nutzer nicht teilen und das kann ich absolut nachvollziehen. Das ist aber auch der Unterschied zu einem objektiven Test, denn es ist eine Meinung. Ich denke aber auch, dass mir sehr viele Android-Nutzer in dem Recht geben werden, dass Samsungs überladene Software keinen wirklichen Mehrwert bietet im Vergleich zum Standard-Android-System und es eher ab- als aufwertet.. Die Mehrheit der Android-Nutzer verwendet aber genau diese Samsung-Variante von Android und ich bin der Meinung, dass Windows Phone damit konkurrenzfähig wäre, würden die Anwendungen nicht fehlen und würden sie der Qualität der Android-Apps entsprechen.

Eure Meinung? Seid ihr zufrieden mit Windows 10 Mobile? Welches Smartphone steht bei euch mit dem nächsten Upgrade an?

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"Entdeckung besteht darin, den gleichen Gegenstand wie alle anderen zu betrachten, sich aber etwas anderes dabei zu denken."
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