Windows Phone ist tot. Mit diesem Gedanken müssen wir uns wohl oder übel anfreunden. Für mich als begeisterten Windows Phone-Nutzer der ersten Stunde ist das ehrlich gesagt doppelt schwer. Auch, wenn es für andere möglicherweise nicht nachvollziehbar war, hatte mich Windows Phone 7 trotz seiner Mängel von Beginn an begeistert.
Ich könnte dem Thema, warum ich das System so mochte, einen Artikel nach dem anderen widmen. Darum geht es heute allerdings nicht. Neben meiner Liebe zum System selbst, sehe ich bis heute nicht wirklich ein, weshalb es nur zwei Smartphone-Systeme geben sollte. Innovationen fördert das aktuelle Google-Apple-Duopol jedenfalls nicht.
Windows 10 Mobile war der Anfang vom Ende. Schon vor mehr als vier Jahren hatte ich ein sehr schlechtes Gefühl als ich schrieb:
Windows Phone-Nutzer der ersten Stunde werden sich mit Windows 10 endgültig vom einstigen Potenzial der Plattform verabschieden müssen und Microsoft wird dafür hoffentlich neue Käuferschichten begrüßen können. Denn wehe, wenn nicht. Und was, wenn nicht?
Nun, die Antwort auf die Frage kennen wir heute. Microsoft hat einfach gar kein Smartphone-System. Das konnte ich mir 2015 allerdings beim besten Willen nicht vorstellen.
Android ist das neue Windows Phone
Microsoft empfiehlt Nutzern, spätestens nach dem Support-Ende von Windows 10 Mobile die Plattform zu wechseln. Im offiziellen Support-Dokument heißt es, Android oder iOS seien die Optionen. In Wahrheit drängt Microsoft seinen Nutzern jedoch eine Plattform auf und zwar Android. Obwohl Apple die Privatsphäre seiner Nutzer ähnlich wie Microsoft sehr achtet, definitiv weniger als Google mit Microsoft bei Diensten konkurriert und Windows Phone von der Abgeschlossenheit durchaus ähnlicher ist, hat sich Microsoft für die Android-Plattform entschieden.
Marktanteil
Einerseits ist Android deutlich verfügbarer als iOS, denn so etwas wie ein günstiges iPhone gibt es nicht. Weltweit ist der Marktanteil von Android daher klar dominant, wodurch die Plattform von App-Entwicklern praktisch nicht ignoriert werden kann.
Zugriff
Das ist allerdings nicht der einzige Grund: Obwohl Android ein Google-Produkt ist, stehen den Entwicklern sehr viele Optionen zur Verfügung. Android gewährt Entwicklern sehr weitreichende Zugriffe auf Systemressourcen und bietet unzählige Möglichkeiten zur Anpassung eines Systems.
Microsoft kann mit eigenen Apps den Startbildschirm übernehmen, den digitalen Assistenten austauschen, den Standardbrowser, die Tastatur und noch so vieles mehr. All diese austauschbaren Komponenten von Android bringen Microsoft deutlich mehr Spielraum, eigene Features einzubauen als bei iOS. Dafür nimmt Microsoft gerne in Kauf, dass Android-Smartphones standardmäßig mit zahlreichen Google-Diensten ausgeliefert werden und der Suchmaschinengigant natürlich einzig und allein Interesse daran hat, dass die Nutzer auch dessen Dienste verwenden.
Allein, dass praktisch alle führenden Microsoft-Mitarbeiter heute auf Android-Smartphones setzen und diese Entscheidung genau wie oben dargestellt rechtfertigen, spricht für eine klare Präferenz der Android-Plattform. Während sie zwar Google gehört, kann man Android auch recht schnell fast Google-frei verwenden.
Android ist gar nicht mehr so schlecht
Microsofts augenscheinliche Präferenz für Android bietet der Plattform zweifellos einen Mehrwert. Für Android gibt es mittlerweile Outlook, das gut und gerne als Email-Programm für die Google-Plattform bezeichnet werden kann. Der Microsoft Launcher ist einer der beliebtesten Launcher für Android, ist gut programmiert, sehr schlicht und effizient. Daneben gibt es nun mit Word, PowerPoint und Excel auch ein Set an kostenlosen Anwendungen mit tollem Feature-Umfang.
Seit Microsoft sich der Android-Plattform angenommen hat, ist diese nur besser geworden. Dank Your Phone können Anwender ihre Fotos schnell zum PC synchronisieren und sogar SMS vom Computer aus beantworten. Dank der Windows Timeline im Microsoft Launcher könnt ihr zudem immer genau dort am Smartphone fortfahren, womit ihr am Windows 10-PC aufgehört hattet. Microsofts SwiftKey-Tastatur ist zudem in den letzten Jahren merkbar besser geworden.
Die Redmonder integrieren ihre Dienste sehr geschickt in das Android-System ohne dabei die Privatsphäre der Nutzer zu verletzen oder in irgendeiner Form aufdringlich zu sein.
Microsoft ist Apple im Google-Universum
Microsoft macht mit der Empfehlung von Android einen großen moralischen Spagat, wenn man auch Nutzern mit den eigenen Diensten einen Ausweg bietet. Im Gegensatz zu Google nutzt Microsoft seine Kundendaten nicht für Werbung, sondern lässt diese stattdessen für die angebotenen Dienste wie Office 365 oder Xbox Live bezahlen.
Google hingegen nutzt jede Möglichkeit, an die Daten von Nutzern zu kommen und diese in Form von Werbung zu monetarisieren. Besonders dreist sammelt der Konzern selbst dann Standort-Daten, wenn keine SIM-Karte im Smartphone ist und die Ortungsdienste des Geräts deaktiviert wurden. Dieses Tracking kann nur deaktiviert werden, wenn man Google vom Smartphone verbannt. Ohne Custom ROM und Google-Verzicht geht das allerdings kaum. Leider sind die einst engen Microsoft-Partner wie Nokia oder HTC heute voll und ganz im Google-Ökosystem beheimatet. Besonders Nokia hat sich durch eine Treue zu Google von seiner einstigen Fanbasis distanziert, schließlich erlaubt der einst so offene Hersteller weiterhin keinen Unlock des Bootloaders für Custom ROMs.
Google hat Windows ignoriert und das ist Microsofts Chance
Google hat in den letzten Jahren aufgrund der eigenen Smartphone-Stärke den Windows-PC zunehmend ignoriert. Dieses fehlende Engagement rächt sich nun etwas, denn Microsoft nutzt jetzt seine PC-Dominanz, um Android-Nutzer und damit Google-Kunden ins eigene Ökosystem zu ziehen. Das gelingt auch durchaus gut, immerhin haben einige Microsoft-Apps ihre Google-Äquivalente sogar bei den Downloads im PlayStore überholt.
Microsoft bietet im eigenen Ökosystem etwas an, was Google in den letzten Jahren verabsäumt hat und zwar die perfekte Symbiose zwischen Smartphone und PC. Apple- und Windows Phone-Nutzer erfreuen sich schon seit Jahren der Synchronisation von Kontakten, Verläufen, Passwörtern und vielen weiteren Informationen. Mit Your Phone und der Timeline intensiviert Microsoft diese Synchronisation und erweitert sie schrittweise auf Android.
Microsofts Arbeit ist längst nicht abgeschlossen. Erst, wenn Android zu Windows 10 eine derart enge Verknüpfung herstellen kann wie ein iPhone zum Mac, ist Microsoft dem Ziel nahe. Hierfür fehlt allerdings noch eine ganze Menge, darunter die Möglichkeit, Anrufe unter Windows 10 anzunehmen oder einen Hotspot per Bluetooth einzuschalten ohne das Smartphone aus der Hosentasche nehmen zu müssen. Es ist klar, dass solche Features nur unter Android realisiert werden können und darum ist Android trotz all seiner Schwächen wohl oder übel die Plattform für Microsoft-Fans.
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