Vor wenigen Monaten hat Microsoft seine digitale Assistentin Cortana im Grunde für tot erklärt. Diese sah man künftig nur noch als intelligente Assistenz in Apps sowie als Skill für Alexa oder den Google Assistant. Microsoft-CEO Nadella sagte selbst, man könne nicht mit anderen digitalen Assistenten konkurrieren.
Mit Microsofts überraschender Ankündigung auf der Build 2019 wurde Cortana allerdings direkt neues Leben eingehaucht. Das Unternehmen zeigte Cortana mit Conversational AI, sprich mit der Fähigkeit, komplexe und aneinandergereihte Befehle zu verstehen und umzusetzen. Microsoft hat jahrelang an dieser Technologie geforscht und mit der Akquise von Semantic Machines hat man sich in diesem Bereich zusätzlich verstärkt.
Microsofts Cortana Strategie
Unter der Haube passiert da allerdings wesentlich mehr als uns bekannt ist. Cortana wird künftig nicht nur diese „Zug-um-Zug“-Befehle beantworten können, sondern dank echter künstlicher Intelligenz Kontexte verstehen können. Ein konkretes Beispiel:“Rufe Martin an.“, obwohl es mehrere Martins in der Kontaktliste gibt. Basierend auf den Kontext in Microsoft 365 wird Cortana genau wissen, welcher Martin gemeint ist. Dabei wird Cortana auf Daten aus Office 365 zugreifen, darunter Emails und Konversationen in Microsoft Teams.
Semantic Machines bietet eine Plattform an, worauf eine echte Konversation mit einem solchen digitalen Assistenzsystem basiert werden kann. Anstatt zu versuchen, zu erraten, was der Nutzer gerade möchte, versucht Microsoft seine Konversations-KI darauf zu trainieren, die natürliche Sprache zu verstehen. Der Unterschied ist ganz einfach zu erklären: So gut wie jedes digitale Assistenzsystem verbindet den Begriff „Regen“ mit Wetter und geben den Wetterbericht aus. Im Regelfall selbst dann, wenn der Kontext ein ganz anderer ist. Während die Systeme heute natürlich etwas ausgeklügelter sind, funktionieren digitale Assistenten derzeit genau auf dieser Basis.
Microsoft möchte diese Conversational AI nicht nur Teil von Cortana machen. Die Technologie dahinter betreibt auch die neue Microsoft Search, eine smarte Suchlösung für Unternehmenskunden. Weiters wird die Conversational AI auch über Azure für andere Entwickler angeboten, welche den Dienst in ihre eigenen Anwendungen integrieren können. Bots könnten durch dieses semantische Verständnis deutlich leichter zu entwickeln und besser sein, als die bisherigen Angebote. Microsoft hat hier nicht nur eine Technologie für sich geschaffen, sondern auch für seine Kunden.
Cortanas Unterschied zur Konkurrenz: Integration
Im Laufe der Zeit lernt diese KI mit, verknüpft Kontexte und wird dann auch in Form einer digitalen Assistenz wesentlich hilfreicher sein können. Microsoft hat allerdings noch keinen Zeitraum angegeben, wann Cortana all diese Fähigkeiten tatsächlich erlernen wird.
Dass Cortana mehrere Befehle verstehen und Kontexte verknüpfen kann, soll die digitale Assistentin von der Konkurrenz unterscheiden. Microsofts vielversprechende Demo lässt jedenfalls glauben, dass der Rückstand im Marktanteil durch die fortgeschrittene Technologie aufgeholt werden kann.
Microsofts Geheimnis für Cortana ist allerdings nicht die Conversational AI, denn Google und Amazon werden eine entsprechende Technologie früher oder später selbst entwickeln können. Das Geheimnis von Microsoft sind Daten. Durch die Integration in Microsoft 365 ist das geschäftliche Umfeld des Nutzers bekannt, LinkedIn könnte hinzukommen, Emails werden ein Teil sein und über die Integration der Conversational AI in Azure lernt diese KI immer mehr dazu. Durch die Integration in Alexa hat Cortana jedoch auch Zugriff noch mehr Daten, darunter eben Informationen zu den Einkäufen und Vorlieben des Nutzers. Die Kombination von semantischem Verständnis, Kontext und Daten könnte Cortana zu einer richtigen starken digitalen Assistentin machen.
Business-Strategie als Pfad zum Abstellgleis?
Da stellt sich natürlich die Frage, weshalb Cortana sich dann ausgerechnet an Unternehmenskunden wendet. Microsofts Business-Fokus im Falle von Windows Phone führte bekanntlich direkt zum Abstellgleis.
Im Falle von Cortana hängt das wohl schlichtweg mit den verfügbaren Daten zusammen. Cortana kann Unternehmenskunden momentan schlichtweg besser dienen. Im Business-Ökosystem hat Microsoft in Wahrheit sämtliche Daten verfügbar, angefangen bei Emails in Exchange, über Dokumente in Office 365, Konversationen in Microsoft Teams bis hin zu Kalendern und Meeting-Orten. Für die Conversational AI ist das ein ideales Szenario, welches bei Endkunden schlichtweg nicht zutreffend ist.
via ZDnet