EditorialAllgemeinesWindows 8

Windows 8 ist gestorben – ein Tribut zum Abschied

Kein Startsound ertönt. Stattdessen fliegen Kacheln ins Bild. Es ist 2012 und eine neue Windows-Version erschien. Damals ein spannendes Ereignis, wegen dem Enthusiasten zum Elektronikhändler fuhren, um eine Kopie zu ergattern. In Form einer buntgestalteten Box, die neben dem Lizenzschlüssel noch eine DVD enthielt, die zum Upgrade verhalf.

Windows 8 ging andere Wege als seine Vorgänger, denn es waren andere Zeiten. Dem klassischen Desktop-Computer wurde der Tod prophezeit. Alles bewegte sich in die Richtung tragbarer Geräte. Als große Konkurrenz sah Microsoft das iPad und wollte Apple den Gnadenstoß verpassen. Mithilfe eines Tablets, welches zugleich ein richtiges Arbeitsgerät sein kann. Das Surface Pro wurde geboren. Ebenso wie ein Windows, welches seinen Fokus erstmalig auf Fingereingaben legte.

Innerhalb des Systems verwandelten sich kleine Listen plötzlich zu großen, viereckigen Boxen. Zugleich mutierten Programme zu Apps. Darüber hinaus verschwanden die namensgebenden Fenster, nun erstreckte sich alles über den gesamten Bildschirm. Was geschah mit dem klassischen Desktop? Er rückte in den Hintergrund als Eintrag in der App-Liste.

Das beste System für Tablets… weit vor iPad OS

Windows 8 Mail-App auf einem Microsoft Surface RT 2

Windows 8 war anders, weil Microsoft ihre kreative Ader auslebte. Gewisse Konventionen wurden missachtet, um eine eigene Benutzererfahrung zu schaffen. Dies machte schon die Scrollrichtung deutlich, denn die Inhalte fuhren nicht nach unten fort, sondern nach rechts. Auch der bloße Anblick einer App reicht, um die unverwechselbare Designphilosophie zu erkennen. Das flache Design, die kantigen Ecken, ein gewisser Hauch von Minimalismus. Nichtsdestotrotz waren es übersichtliche Layouts, dank des Einsatzes von unterschiedlichen Farben sowie Farbtönen.

Der Finger war unter Windows 8 kein einfacher Pointer, sondern ein echtes Werkzeug. Jeder Fingertipp war bedeutend, denn er wurde mit einer Animation belohnt. Wischte man von dem linken Bildschirmrand rein, brachte es die zuletzt genutzte App zum Vorschein. Wischte man von der gegenüberliegenden Seite rein, so erschien die Charms Bar. Eine Werkzeugleiste mit den wichtigsten Optionen immer griffbereit. Demnach basierte ein Großteil der Bedienelemente von Windows 8 auf Gesten, schon weit vor iPad OS.

Jede Animation war verspielt und stehts flüssig. Windows 8 glitt schwerelos auf Tablets und machte selbst auf günstigen Geräten eine bessere Figur als Android. Das erinnert an die glorreichen Tage von Windows Phone, dessen Stärke ebenfalls die gute Performance auf Handys im unterem Preissegment war.

Der größte Flop seit Vista

Windows 8 Startmenü auf einem Microsoft Surface RT 2

Es gibt zahlreiche YouTube-Videos, die alle demselben Drehbuch zugrunde liegen. Ein interessierter Protagonist startet erstmalig Windows 8, um sich einen Eindruck von dem neuen System zu verschaffen. Doch sobald das Startmenü erscheint, besteht sein Vokabular nur noch aus vulgären Ausdrücken, die das System mit Exkrementen vergleichen.

Aber auch abseits der Medien erzeugte der radikale Stilumbruch von Windows 8 viele Probleme. Wie fährt man das System herunter? Eine Schnitzeljagd nach der Schaltfläche, ernüchternderweise ohne eine Xbox-Live-Errungenschaft als Belohnung zu erhalten. Deswegen kann ich euch verraten, dass der Button zum Herunterfahren in der Charms-Bar hauste, die für Maus-Nutzer echt versteckt war.

Von der Presse gehasst, von den Nutzern geächtet. Windows 8 genießt einen ähnlich schlechten Ruf wie Vista. Heute besitzt das System einen Marktanteil von nur zwei Prozenten und liegt damit weit unter Windows 7. Obwohl einige gute Verbesserungen eingebracht wurden, von denen auch Desktop-Nutzer profitierten.

Windows 8 brachte viele Neuerungen

Windows 8 Task-Manager auf einem Microsoft Surface RT 2

Die Entwickler von Microsoft waren nicht nur damit beschäftigt, eine Kacheloberfläche über das klassische Windows zu hämmern. Auch in den darunterliegenden Schichten brachten sie tolle Neuerungen ein, die Windows nachhaltig zu einem besseren System machen. Die wohl populärsten Neuerungen waren der überarbeitete Task-Manager, die neue Wiederherstellungsumgebung sowie die Taskleiste für mehrere Monitore.

Nicht unerwähnt lassen möchte ich die technischen Errungenschaften, die dafür sorgen, dass Windows 8 unglaublich effizient lief. Ein geringerer Ram-Verbrauch wurde durch Memory-Combining, mehr On-Demand-Dienste und der Überarbeitung alten Programmcodes erreicht. Darüber hinaus weitete Microsoft die GPU-Beschleunigung auf eine Vielzahl an UI-Elementen aus, um ein flüssiges Erlebnis zu gewährleisten.

Ich gehe nicht näher auf die Neuerungen ein, weil es Microsoft viel besser kann als ich. Sie dokumentierten alles in ihrem Entwicklungsblog zu der Entstehung von Windows 8. In detaillierter Art und Weise, aus der Perspektive der UX-Designer. Immer untermauert mit interessanten Fakten, Analysen und Berechnungen.

Leider hat Microsoft den Blog aus dem Internet verbannt, was eine Unverschämtheit ist. Doch glücklicherweise gibt es mit der Wayback-Machine ein Internetarchiv, worin der gesamte Blog gesichert ist. Ich kann jedem empfehlen, alle vier Seiten durchzublättern und die interessanten Themen rauszupicken. Es sind spannende Beiträge.

Hier klicken, um zum „Building Windows 8“-Blog zu gelangen.

Was ergibt sich aus dem Flop von Windows 8?

Windows 8 Charms Bar über dem Startmenü auf einem Microsoft Surface RT 2

Windows 8.2 war auch mal als große Aktualisierung geplant. Doch letztendlich verworfen, weil Microsoft keinen Sinn darin sah, ein System mit schlechtem Ruf weiterzupflegen.

Ein paar Umstrukturierungen in der Windows-Entwicklungsabteilung später und wir sind bei Windows 11 angelangt. Bei diesem Projekt steht die Vereinheitlichung von Windows an oberster Stelle. Viel Sinn ergibt das für den Endnutzer, weil es nur noch einen Ort für die Einstellungen geben soll. Im Endeffekt war Windows 8 ein verwirrendes Betriebssystem, weil es zwei komplett unterschiedliche Strukturen aufwies, die eine große Inkonsistenz erzeugten.

Die Vereinheitlichung bringt aber nicht nur Vorzüge. Im Endeffekt stößt man dadurch beiden Nutzergruppen bös auf, weil nicht jedem die beste Erfahrung geboten werden kann. Mittlerweile fühlt sich Windows auf Tablets wie ein Fremdkörper an, weil die meisten Gesten verworfen wurden. Ebenso muss man mit der Computermaus riesengroße Schaltflächen treffen, in vereinfachten Menüs, die weniger intuitiv und funktional sind. Wenn zwei Welten aufeinanderprallen, dann fühlen sich die Bewohner beider Planeten ihrem ursprünglichen Lebensraum beraubt.

Außerdem fehlt Microsoft mittlerweile der Mut zur Veränderung. Windows 11 wirkt austauschbar, wie ein Best of anderer Systeme. Möglicherweise herrscht bei Microsoft eine gewisse Angst, den großen Fehler von Windows 8 zu wiederholen, mit zu vielen Umbrüchen einen weiteren Flop zu erzeugen.

Tschüss, Windows 8!

Windows 8 Startmenü anpassen

Zum Abschluss des Artikels bleibt mir nichts anderes übrig, als mich von Windows 8 zu verabschieden. Mit dem Sicherheitsupdate vom 10. Januar 2023 hat das System sein letztes Update erhalten. Aus diesem Grund stellt die aktive Nutzung ab sofort ein Sicherheitsrisiko dar. Es wird empfohlen auf ein modernes System umzusteigen.

Windows 8 ist ein unterschätztes Betriebssystem. Die letzte Windows-Version, die sich nicht als Service sah, sondern als in sich schlüssiges Produkt. Eine Ära, die uns gemeinsam mit Windows Phone 8 hier in diesem Blog zusammengebracht hat und lange in Erinnerung bleiben wird.

Doch selbst die größten Windows 8-Liebhaber müssen sich eingestehen, dass bei der ganzen Genialität, die in das System geflossen ist, eine grundlegende Sache übersehen wurde. Nämlich eine angenehme Umgebung für PC-Nutzer zu schaffen.

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