Microsoft verfolgt mit den Surface- und Lumia-Reihen ein ganz klares Ziel, nämlich mit den eigenen Geräten die Windows-Plattform zu stärken. Die Redmonder möchten neue Formfaktoren kreieren, den Herstellern eine gewisse Richtung vorgeben und natürlich Nutzer und Entwickler anziehen. Zudem werden die eigenen Produkte tendenziell dort positioniert, wo sie die Reviere anderer Windows-Hersteller nicht direkt in Angriff nehmen.
Wir haben die neue Strategie von Microsoft bereits in zahlreichen Berichten sehr ausgiebig diskutiert und stets findet die Xbox One nur als Zusatzgerät darin Erwähnung, das zumindest ohne Zusatzsoftware als einziges Gerät im Microsoft Ökosystem den Fernseher bedienen kann. Ihr Status als das einzig wahre Entertainment-Only Gerät in Verbindung mit dem TV wird nicht infrage gestellt, weder von OEMs noch von Nutzern.
Dabei gäbe es bereits genügend neue Windows-Geräte, die genau diesen Zweck erfüllen könnten. Mini-PCs sollen zumindest für viele Nutzer den traditionellen Tower-PC ersetzen und sind oft genau so gestaltet, dass sie nicht nur neben dem Fernseher Platz haben, sondern sich auch im Wohnzimmer blicken lassen können. Trekstors kürzlich vorgestellter Mini-PC gleicht praktisch einer Apple TV-Box, die genau den Zweck erfüllt, ein Zusatzgerät zu sein, um mittels Smartphone, Tablet oder Laptop den Fernseher ansteuern zu können.
Vermarktet werden die Windows HDMI-Sticks und Mini-PCs aber nicht hauptsächlich als Unterhaltungsgeräte, sondern es werden stets arbeitsbezogene Nutzungsszenarien beschrieben. Die Werbung zeigt gerne eine Dame, die auf der Arbeit Excel-Tabellen bearbeitet, das Gerät vom Monitor absteckt, es in ihre Handtasche packt und zu Hause rund 30 Zentimeter entfernt von einem 80-Zentimeter großen Fernseher mit der Maus YouTube ansteuert. Dies verdeutlicht das Problem mit Mini-PCs und Windows 10. Wieso zeigt man nicht, wie die Nutzerin mit dem Xbox-Controller oder dem Smartphone die TV-freundliche Nutzeroberfläche von Windows 10 bedient, während sie sich gemütlich auf der Couch aufhält? Weil es das nicht gibt.
Windows 10 macht das Streamen von Filmen über Smartphone, Tablet oder den Laptop auf die Xbox One zum Kinderspiel. Ein Nutzungsszenario, bei dem sich der Anwender einen günstigen HDMI-Stick oder Mini-PC kauft, um hauptsächlich YouTube-Videos am Fernseher zu schauen und im Internet zu surfen, scheint es in Microsofts Ökosystem nicht zu geben. Genauso gibt es für Gamer, die sich ein wenig mehr Grafikleistung wünschen, als die Xbox One bieten kann, unter Windows 10 kein Interface, das die Bedienung per Controller am Fernseher erlaubt.
Wenn Alienware oder ASUS jetzt eine Spielekonsole mit Windows 10 herstellen wollten, müssten die Hersteller einen eigenen Controller mit einem zusätzlichen Treiber mitliefern, der die Pfeiltasten einer Tastatur simuliert, um den Tablet-Modus von Windows 10 halbwegs am Fernseher bedienbar zu machen, gleichzeitig in Games aber zur regulären Steuerung umschalten muss. Der Xbox One-Controller käme nicht infrage, denn über dessen Software bestimmt Microsoft und eine Bedienung von Windows 10 ist damit nicht vorgesehen.
Das TV-Benutzererlebnis unter Windows 10 wird mit der Xbox One gleichgesetzt. Doch in einem Ökosystem, das auf sämtlichen Plattformen vorhanden sein will, darf dies nicht sein. Man ist bereits so weit, dass selbst die Hersteller die Streaming-Funktionalität zur Xbox One und umgekehrt bei eigenen Produktvorstellungen bewerben, selbst aber kein eigenes Gerät als Alternative anbieten können. Microsoft sollte es ermöglichen, dass beispielsweise einfach über die Xbox-App ein Video zum HDMI-(PC-)Stick oder zur PC-Spielekonsole am Fernseher gestreamt werden kann. Weshalb gibt es diesen Formfaktor überhaupt, wenn ihn Microsoft nicht ernst nimmt?
Surface, Lumia und selbst HoloLens sollen den Herstellern als Anreiz dafür dienen, selbst mit ähnlicher Hardware ins Windows-Ökosystem einzusteigen. Diesen Auftrag verfolgt jedoch nicht die Xbox und das, obwohl die OEMs bereits seit Monaten versuchen, genau in dieses Segment einzudringen. Folgerichtig sollte Microsoft die „TV-Tauglichkeit“ von Windows 10 ausbauen, um Entertainment nicht lediglich mit der Xbox One – also primär einer Spielekonsole – gleichzusetzen. Im Status quo wird hingegen Potenzial vergeudet.
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