Erneut scheint die Zukunft von Microsofts Smartphone-Linie auf Messers Schneide zu stehen, denn dem Konzern stehen wiederholt Entlassungen in nicht geringer Zahl ins Haus. Mehr noch: Der Mitarbeiterabbau betrifft vornehmlich die Smartphone-Abteilung. In der Folge keimten zügig die ersten Berichte auf, in denen die Verfasser ihrer Kreativität freien Lauf ließen, um klickträchtige Schlussfolgerungen respektive Schlagzeilen zu generieren. „Weil Windows Phone ein Flop ist: Microsoft entlässt 8.000 Mitarbeiter“ sei an dieser Stelle lediglich beispielhaft genannt. Gerade weil teils wichtige Fakten, auch in Bezug auf das noch Kommende, in derartigen Situationen mehr oder minder wissentlich ausgeblendet werden, möchten wir sie in dieser Nachlese in den Mittelpunkt rücken.
Verteilung der 7.800 Mitarbeiter
Wie bereits berichtet, beziffert Microsoft den Abschreibungsbedarf hinsichtlich der Übernahme von Nokias Geräte- und Dienstesparte mit 7,6 Milliarden US-Dollar. Dies entspricht etwa 80% des materiellen und immateriellen Werts der Geräte- und Dienstesparte von rund 10 Milliarden US-Dollar. Zuletzt wurde eine Abschreibung von ähnlichem Ausmaß (6,2 Mrd. US-Dollar) im Jahr 2012 wegen der Übernahme von AQuantive Inc. fällig. Für die Umstrukturierung werden zudem Kosten von 750 bis 850 Millionen US-Dollar veranschlagt. Harte Ergebnisse erfordern harte Entscheidungen und diese haben zurzeit den Abbau von 7.800 Mitarbeitern zur Folge. Wohlgemerkt beschäftigte Microsoft im März 2015 rund 120.000 Mitarbeiter.
Zwar wird nicht spezifiziert, welchen Anteil die jeweiligen Sparten an der Gesamtzahl von 7.800 Mitarbeitern haben. Satte 2.300 der Betroffenen stammen jedoch aus Finnland, also mehr als die Hälfte der insgesamt 3.200 dort tätigen Angestellten. Damit einhergehend werden die Redmonder ihren Betrieb im finnischen Salo einstellen und die Vorgänge nach Tampere sowie Espoo verlagern. Durchaus interessant ist in diesem Zusammenhang auch ein Rundschreiben von Kevin Turner, Chief Operating Officer bei Microsoft: In diesem erklärt Turner, dass von den jüngsten Ankündigungen auch einige Mitarbeiter der Gruppe für Vertrieb, Marketing und Dienste (SMSG) betroffen sein werden. Die von Chris Weber geleitete Microsoft Mobile Device Sales (MMDS) Abteilung wird zu diesem Zweck der von Jude Buckley geführten Consumer Channels Group (CCG) unterstellt. Letztere steuert den Vertrieb und die Vermarktung aller Produkte – von Office über Phones bis hin zur Xbox – an Privatkunden. Außerdem fallen sämtliche Aktivitäten hinsichtlich der Betreuung des Einzelhandels sowie der Zusammenarbeit mit OEMs und Telekommunikationsunternehmen in diesen Bereich.
Eine wie auch immer geartete Verwunderung sollte den Umstrukturierungen keineswegs entgegengebracht werden: Nadella baute nämlich schon im vergangenen Jahr 18.000 Stellen ab, akquiriert unermüdlich (Cloud-)Software-Anbieter und entledigte sich erst kürzlich – auch auf Führungsebene – unergiebiger Geschäftsbereiche.
Windows Phone vNext: Weniger ist mehr
Zu Recht stellt sich der Medienlandschaft und (potentiellen) Nutzern von Windows Smartphones also die Frage, wie es um die Zukunft der Smartphone-Sparte stehe. Leider findet sich hierauf keine verbindliche Antwort. Unter Zugrundelegung der offiziellen und inoffiziellen Äußerungen zeichnet sich indessen eine Tendenz ab.
Microsoft wird die Smartphone-Sparte kurz- und mittelfristig nicht einstampfen. Im Gegenteil: Man sieht sich in der Pflicht, Smartphones anzubieten. Dies haben Satya Nadella und Kevin Turner in ihren internen Rundschreiben (s.u.) hinlänglich zum Ausdruck gebracht. Überdies äußerte eine mit Nadellas Plänen vertraute Person gegenüber Bloomberg, Microsoft werde zumindest die nächsten zwei Jahre eigene Smartphones herstellen. Doch die Herangehensweise ist künftig eine andere. Man beabsichtigt, eine an das Surface anlehnende Produktpolitik auf die Smartphone-Reihe anzuwenden. Weniger Kategorien, weniger Modelle, weniger Verwirrung also.
Ausgangspunkt dieser Erkenntnis sind die von Nadella persönlich bezeichneten Kategorien, namentlich Low-End-, Business- und Flaggschiffgeräte. Für sich genommen ist hierin keine Neuigkeit zu erkennen, da die Kategorien bereits jetzt von den Redmondern mehr oder weniger gut gepflegt werden. Neu ist vielmehr der konsequentere Fokus auf die genannten Nutzergruppen und die damit verbundene Reduzierung der Anzahl angebotener Geräte. Dass künftig weniger mehr ist, lässt sich nicht nur zwischen den Zeilen herauslesen. Auch Dina Bass von Bloomberg will erfahren haben, dass Microsoft jährlich lediglich ein bis zwei Geräte pro Kategorie veröffentlichen wolle und sich aus unrentablen Märkten bzw. Kooperationen – selbst mit Netzanbietern – zurückziehen werde. Von diesem Umdenken sei der US-Markt allerdings nicht betroffen.
Langfristig möchte der Soft- und Hardwareriese mithilfe der Umstrukturierung für das Windows Ökosystem neue Kategorien schaffen und Innovationen fördern, so Nadella. Ebenso von Belang ist die Neuausrichtung dahingehend, das Smartphone-Geschäft nicht mehr unabhängig vom restlichen Ökosystem erweitern zu wollen. Stattdessen verspricht sich der Konzern durch den Fokus auf ein wachsendes, dynamisches Windows Ökosystem gute Chancen für den Markterfolg. Wer trotz alledem Zweifel an der Ankündigung weiterer Smartphones aus dem Hause Microsft hegt, wird spätestens vom bekannten Insider Evan Blass (@evleaks) enttäuscht:
Dass Microsoft mit einem übersichtlichen Produktportfolio einen neuen Anlauf mit ungewissem Ende startet, kann aus unserer Sicht nur begrüßt werden. Zum einen hat sich der rote Faden im gegenwärtigen Gewirr der Modellnummern längst verwischt. Zum anderen trägt ein ähnlicher Ansatz beim Surface bereits die ersten Früchte: Die Tabletreihe rentiert sich – während mit jedem Lumia Geld verbrannt wird.
Gleichwohl bleibt weiterhin zu klären, inwieweit sich ein dritter Anbieter – hier: Microsoft – auf einem Markt durchsetzen kann, in dem Google die meisten Umsätze und Apple fast sämtliche Profite generiert. Ein Patentrezept ist die hier beschriebene neue Strategie womöglich nicht, aber immerhin ein überlegter Versuch, welcher die tatsächlichen Marktverhältnisse als gegeben akzeptiert.
Auszug aus Satya Nadellas Rundschreiben
Today, we announced a fundamental restructuring of our phone business. As a result, the company will take an impairment charge of approximately $7.6 billion related to assets associated with the acquisition of the Nokia Devices and Services business in addition to a restructuring charge of approximately $750 million to $850 million.
I am committed to our first-party devices including phones. However, we need to focus our phone efforts in the near term while driving reinvention. We are moving from a strategy to grow a standalone phone business to a strategy to grow and create a vibrant Windows ecosystem that includes our first-party device family.
In the near term, we will run a more effective phone portfolio, with better products and speed to market given the recently formed Windows and Devices Group. We plan to narrow our focus to three customer segments where we can make unique contributions and where we can differentiate through the combination of our hardware and software. We’ll bring business customers the best management, security and productivity experiences they need; value phone buyers the communications services they want; and Windows fans the flagship devices they’ll love.
Auszug aus Kevin Turners Rundschreiben
Going forward, we will focus on building the very best Windows phones on a quicker timeline. We will also focus on the channels and markets that offer the best returns. This is a similar approach to the one we have taken with Surface, which has been very successful. Phones remain a critical component of the Microsoft device portfolio and an important piece of our mobility strategy, but a restructuring is in order.
Quellen: Yle.fi, ZDNet, Bloomberg 1, 2 & 3, Microsoft 1 & 2, evleaks