„Windows 10 Mobile ist tot“, liest man schon seit Monaten in diversen Fachmedien und trotz allem versucht Microsoft zu beruhigen, verspricht neue Smartphones und entwickelt die Plattform immer weiter. Dennoch scheint Microsoft einige Maßnahmen zu ergreifen, die der Plattform nur schaden können: Es erscheinen keine neuen Lumia-Smartphones, aus dem Low-End Bereich hat man sich verabschiedet und selbst eigene Tochterunternehmen werden nicht angehalten, ihre Windows Phone-Apps weiterzuentwickeln.
Lumia-Strategie hatte keinen Sinn
Microsoft hat nicht offiziell kommuniziert, dass Windows 10 Mobile tot ist und das wird wohl auch nie passieren. Man wird als langjähriger Nutzer den Eindruck allerdings auch nicht los, dass man den Tod der Plattform nicht um jeden Preis verhindern will. Bisher war das so und man hat selbst Verluste in Kauf genommen, um Marktanteile zu gewinnen oder halten zu können.
Als der Smartphone-Markt dann gegen Ende 2015 gesättigt war, konnte man diesen Plan vergessen. Die große Mehrheit der Nutzer hatte bereits ein Smartphone und beim bisherigen Wachstum würde es Jahrzehnte dauern, um weltweit einen bedeutenden Marktanteil zu erlangen. Diese Strategie führte nicht zum Ziel, wenn man auch in einigen Regionen sogar 10 Prozent erreichen konnte. Man hätte riesige Mengen investieren müssen, um „sesshafte“ iOS- und Android-Nutzer zum Wechsel zu überzeugen und in dieser Blindheit, unbedingt die beiden Konkurrenten einzuholen, hat man die eigentliche Aufgabe des Unternehmens aus den Augen gelassen.
„Do more“ statt „more of the same“
Apples einstiges „Think Different“ ist heute Microsofts „do more“, ein Leitspruch, den Microsoft in all seinen Unternehmensbereichen berücksichtigt. Surface Pro ist mehr als ein Tablet, Surface Book mehr als ein Laptop und Surface Studio mehr als ein PC. Einzig und allein die Lumia-Reihe entspricht nicht dem „do more“-Prinzip, sondern dem „more of the same“-Grundsatz. Man ist im Smartphone-Bereich Apple und Google schon so lange nachgelaufen, dass man vergessen hat, sich auf jenen einen Grundsatz zu besinnen, der Microsoft in den letzten Jahren erfolgreich und „cool“ hat werden lassen.
Satya Nadella sprach bereits des Öfteren darüber, dass Microsoft im Smartphone-Bereich etwas Anderes machen muss als die Konkurrenz. Ein neuer Ansatz muss her und dieser soll grundsätzlich verändern, wie wir über das Smartphone denken. Das fordern übrigens nicht nur wir, die uns eine erfolgreiche Windows-Plattform wünschen, sondern auch langjährige Android- und iOS-Enthusiasten. Google und Apple teilen sich einen Markt auf, den sie als erobert erachten, und Innovationen bleiben auf der Strecke. Das Smartphone-Konzept funktioniert doch gut, so wie es ist. Wieso sollte man etwas daran ändern?
Warten auf etwas Neues
Weder Apple, noch Google haben aktuell Bedarf, am Smartphone etwas zu ändern. Microsoft muss, wenn man Windows auch auf mobilen Geräten der Zukunft etablieren will. Dafür müssen aber erst einmal die Weichen gestellt sein und darauf warten wir momentan.
Die Hardware ist bereits angekündigt, ein kleiner Teil der Software auch. Windows 10 wird auf Qualcomms ARM-Prozessoren der kommenden Generation laufen, sprich jenen CPUs, welche die nächste Smartphone-Generation betreiben wird. Zudem hat Microsoft eine Technologie implementiert, welche die Emulation von Desktop-Programmen erlaubt. Auf einem Smartphone mit maximal 6-Zoll ist aber der Desktop nicht wirklich praktisch und selbst der Tablet-Modus von Windows 10 auf so kleinen Displays kaum praktikabel.
Microsoft hat zufälligerweise bereits ein für Smartphones optimiertes Interface und dieses findet sich in Windows 10 Mobile. Es basiert auf Windows 10 und kann daher auch in das Desktop-System implementiert werden. Tatsächlich arbeitet Microsoft bereits an der Umsetzung und das Projekt wird Berichten zufolge als Composable Shell bezeichnet. So wie der Tablet-Modus derzeit ein Teil von Windows 10 ist, soll dies auch mit einem Smartphone-Modus geschehen. Diese Entwicklung wird allerdings noch Monate benötigen und erst dann kann sich Microsoft überlegen, wie man ein Smartphone auf Grundlage dessen entwickeln kann.
Ende von „Windows 10 Mobile“
Erst, wenn Microsoft mit einem Windows 10-basertem Smartphone aufwarten kann, wird sich die Frage stellen, wie es mit Windows 10 Mobile weitergeht. Schließlich definiert sich die Plattform nicht nur durch das Interface, sondern auch durch die Unterstützung für mobile Hardware. Windows 10 würde zumindest nach dem aktuellen Stand lediglich den High-End Qualcomm Snapdragon 835 unterstützen.
Im High-End Bereich wird Windows 10 Mobile daher definitiv im Weg sein, denn die Unterscheidung zwischen den beiden Systemen könnte sich für den Laien durchaus als schwierig erweisen. Man stelle sich vor, ein Lumia 950 XL läge neben einem „Surface Phone“ im Handel, teilen sich dasselbe Interface und besitzen beide einen Qualcomm Octacore-Prozessor. Der Unterschied wäre schwierig zu vermitteln. Im Low End-Bereich dagegen, was wir also heute als Smartphone ansehen, wäre für Windows 10 Mobile zumindest aktuell noch Platz.
Ein weiterer Neustart
Ein weiterer Unterschied zwischen Windows 10 und Windows 10 Mobile ist die Unterstützung von Windows Phone 8-Apps. Die mobile Plattform hat sie, Windows 10 am Desktop nicht. Wenn also das Interface von Windows 10 Mobile in die Composable Shell von Windows 10 integriert wird, kann man davon ausgehen, dass Windows Phone 8-Apps keinen Platz finden werden.
Wenn also Windows 10 ARM für den Smartphone-Formfaktor bereit ist, was aktuell nur von der Geschwindigkeit der Windows-Entwickler abhängt, dann wird das in der Geschichte der mobilen Windows-Plattform einen weiteren Neustart bedeuten. Windows Phone-Nutzer sind diese bereits gewohnt, manchmal waren sie sehr schmerzhaft, manchmal weniger. Mit der aktuellen Strategie scheint man einen Zwischenweg gehen zu wollen. Man kommuniziert die Zukunftspläne nicht öffentlich, um derzeitigen Partnern nicht das Geschäft mit Windows 10 Mobile-Geräten zu ruinieren, bemüht sich aber selbst nicht wirklich darum, bisherige Nutzer zu halten.
So hart es auch klingen mag, aber sie sind nicht die Zielgruppe für die Zukunft des mobilen Windows. Polen, Italien, Indien, Brasilien, Kroatien, die einstigen Hochburgen von Windows Phone sind dies nur wegen der günstigen Geräte geworden, nicht wegen des Lumia 1520, 1020 oder 950. Diese Märkte sind für Surface schlichtweg nicht interessant und Microsoft hat bereits im Frühjahr 2016 angekündigt, dass man sich auf Europa und High-End konzentrieren will, also ist es nichts wirklich Neues.
Microsofts Kommunikation im mobilen Bereich könnte besser sein, aber wirklich viel anders können die Redmonder es gar nicht machen. Es gibt kein fertiges Produkt, das man ankündigen könnte und den Tod von Windows 10 Mobile kann man nicht ankündigen, solange noch Geräte produziert, benötigt und verkauft werden. Zudem es außerordentlich schwer sein dürfte, die aktuellen mobilen Pläne öffentlich zu begraben, ohne, dass der Anschein erweckt wird, mobiles Windows 10 habe keine Zukunft.