Als Microsoft die neue Beta-Version zur offiziellen Facebook App veröffentlicht hat, erfuhr das Unternehmen nicht nur Gegenliebe in Form von Anerkennung und Dankbarkeit, sondern musste aufgrund der vermeintlichen Abkehr von der sogenannten Metro-/Modern-UI Designsprache teilweise grobe Kritik dulden.
Grund für das negative Feedback ist der Verzicht auf die traditionellen Designelemente wie beispielsweise Pivot und Panorama. Diese werden mit Windows Phone in Verbindung gebracht, weshalb sie regelmäßig als die Differenzierungsmerkmale gegenüber den Konkurrenten iOS und Android angesehen werden. Arturo Toledo, ehemaliger User Experience Designer für Windows Phone, hat sich unlängst in einem Blog-Beitrag zu dieser Diskussion geäußert und vertritt hierzu eine nachvollziehbare Sichtweise. Dabei bewegt er sich weg von dem starren Verständnis der Modern-UI (ehem. Metro-UI) Designsprache, verkennt aber nicht die Wichtigkeit grundlegender Designvorlagen. Die oben erwähnten Muster, namentlich Pivot und Panorama, beschreibt er mit den Adjektiven „zuverlässig, flexibel [und] leistungsstark“.
Kritisch sei allerdings, dass diese Vorlagen sich wie ein roter Faden durch die über 100.000 Apps im Windows Phone Store ziehen. Das Ergebnis ist die auf das Design bezogene Identität zwischen den an sich unterschiedlichen Anwendungen. Die einen mögen es begrüßen, dass die eine Windows Phone App der anderen gleicht, dies schafft schließlich ein einheitliches Nutzererlebnis. Allerdings handelt es sich bei den Vorlagen mitnichten um Gesetze, sie sind somit nicht zwingend und ihre Nichtbefolgung wird nicht sanktioniert. Es geht dem ehemaligen Microsoft Mitarbeiter dabei nicht um eine Situation, die der Anarchie gleicht. Es ist vielmehr die Überzeugung, dass jede „Erfahrung und Geschichte“ zeitlich vor den sie verinnerlichenden Vorlagen entsteht. Pivot und Panorama haben selbstverständlich ihren Teil dazu beigetragen, den Store möglichst schnell mit über 100.000 Apps zu füllen, dies geschah allerdings auf Kosten der Vielfalt im engeren Sinne.
Aufgrund dessen sei die Facebook Beta-App zu bejubeln, denn an dieser werde deutlich, dass Entwickler sich als Teil des Ökosystems betrachten und es deshalb auf eine höhere Ebene befördern möchten.
Eine Beta-Phase für die neue Facebook App ist die beste Neuigkeit für Windows Phone. 100.000 Apps vermitteln ein Zeichen der Reife. Ein großer Entwickler setzt auf etwas Neues. Wenn Designer und Entwickler sich als Teil eines Ökosystems ansehen, befördern sie auf ein neues Niveau. Genau dies geschieht hier und jeder, der sich um das Ökosystem sorgt, sollte es feiern.
Zudem interessiere sich der Anwender nach dem Kauf eines Windows Phones letztlich für die Apps und nicht ausschließlich für das „Windows Phone Erlebnis“, das er als das beste ab Werk verfügbare Erlebnis bezeichnet. Diesen Gedanken erklärt er mit einem interessanten Vergleich. Windows Phone Smartphones und ihre Apps seien mit Portalen/Pforten gleichzusetzen. Portale, die Nutzern den Zugang zu Erfahrungen mit nicht unerheblichen Wert bieten. Schließlich führt Arturo seine Erklärung mit einer Metapher fort:
Smartphones und ihre ab Werk verfügbaren Dienste sind der Las Vegas Strip. […] Und alle Hotels entlang der Achse, entlang der Struktur sind Apps. So erhält man Apps [Anmerkung des Verfassers: Gemeint sind vermutlich „Hotels“] unterschiedlicher Art, denn jede beabsichtigt die Menschen mit einer anderen „Erfahrung“ zu versorgen, obwohl man sich immer „in Las Vegas“ sieht und fühlt. Das gilt auch für Smartphones. Sie sind wertlos ohne Apps und je spektakulärer, nützlicher, schöner und wertvoller die Apps sind, umso wertvoller wird das Ökosystem. […]
Was geschieht, wenn alle Hotels entlang des Vegas Strips gleich aussehen und sich identisch anfühlen würden? Die Menschen würden sich sehr schnell langweilen. Denn es fühlt sich alles gleich an. So fühlt sich das Windows Phone Ökosystem für mich an, denn über 100.000 Erfahrungen bauen auf lediglich zwei Designvorlagen auf: Pivot und Panorama.
Diese im ersten Augenblick hart klingenden Worte relativiert der Designer in den nächsten Sätzen, denn es ginge nicht darum, die beiden Designprinzipien schlecht zu reden. Sie sind Teil des Windows Phone Ökosystems und haben auch in Zukunft ihre Daseinsberechtigung, aber es sollte nicht nur auf diese beiden Elemente zurückgegriffen werden, was leider größtenteils geschehe. Daneben existieren ausreichend Gestaltungsgrundsätze, die das Windows Phone Erlebnis vermitteln. Hierzu zählt beispielsweise die restriktive Nutzung des von iOS bekannten Skeuomorphismus. Das entspricht zwar einer negativen Abgrenzung, aber auch so lassen sich Grenzen und Grundsätze definieren.
Diese Kritik gelte zudem nicht nur dem Windows Phone OS, sondern sei gleichermaßen auf iOS und Android anwendbar. Auch sie haben Designrichtlinien und nicht Gesetze, die eine bestimmte Gestaltungsart unbedingt voraussetzen. Als Beispiel seien sehr erfolgreiche iOS Apps genannt, die gerade nicht auf den traditionellen Designelementen beruhen. Hierzu zählen unter anderem Paper, Clear und Flipboard.
… Nennt es nicht Flat, nennt es nicht Metro, nennt es nicht Modern, nennt es einfach Good Design. – August de los Reyes, Senior Director bei Xbox Design Studios & Sean Wolcott, Senior Designer bei Xbox.
Mit diesem Zitat schließt Arturo seinen Beitrag und regt damit zum Nachdenken über ein möglicherweise zu eng geratenes Verständnis vom „Windows Phone Design“ an. Uns interessiert wie immer eure Meinung zu diesem Thema.