Microsoft hat in den letzten Wochen zahlreiche Schritte „proaktiv“ vorgenommen, die unterschiedliche Bereiche der eigenen Produkte und Dienste voneinander entkoppeln soll. Insbesondere Nutzer aus der EU erwarten in Windows 11 sowie Microsoft 365 einige Veränderungen, die vor allem den Wettbewerbshütern der Europäischen Kommission zu verdanken sind. Berichten zufolge dürfte dies Microsoft allerdings nicht vor einer EU-Beschwerde retten.
Microsoft Edge: Kein Browser-Zwang für EU-Nutzer
Der „proaktive“ Effekt der EU-Wettbewerbshüter wird einen sehr benutzerfreundlichen Schritt für Windows 11-Nutzer mitbringen_ Microsoft wurde nämlich interessanterweise relativ plötzlich dazu motiviert, erneut die freie Browser-Wahl seiner Windows 11-Nutzer zu respektieren. Bekanntlich zwingt der Konzern seine Nutzer beim Öffnen von Links aus den Widgets, Einstellungen und anderen System-Apps, den Microsoft Edge-Browser dafür zu verwenden. Die Links werden – trotz eines anderen installierten und ausgewählten Standardbrowsers – dennoch in Microsoft Edge geöffnet.
Dies soll sich künftig ändern: Microsoft hat diesen innovativen und sehr benutzerfreundlichen Schritt, die Browser-Wahl der Nutzer erneut zu respektieren, kürzlich still und leise im Changelog seiner Windows Insider-Builds im Dev-Channel angekündigt. Die Neuerung betrifft allerdings lediglich Nutzer aus der EU. Alle anderen Anwender auf der Welt, wo kein derart starker Konkurrenzdruck durch einen Innovator wie die EU herrscht, werden weiterhin das großartige Benutzererlebnis genießen, welches nur Microsoft Edge beim Öffnen von Systemlinks bieten kann. Der Markt regelt schließlich alles selbst.
Technische Formalität: Teams wird aus Windows 11 „entfernt“
Der für unsere Leserschaft wohl interessanteste Schritt dürfte wohl sein, dass Microsoft nach zwei Jahren sein Chat- und Kommunikationsprogramm Teams aus der Windows 11-Taskleiste entfernen wird. Schon seit Juni testet Microsoft die Möglichkeit, das tief integrierte Programm vollständig aus dem System zu entfernen. Diese Änderungen sind erstmals im Juni gesichtet worden und der Effekt ist nun erst langsam in ersten Beta-Builds im Insider-Programm bemerkbar.
Dabei wird Microsoft Teams zwar (vorerst) nicht aus der Taskleiste verschwinden, aber wird das Programm nicht bei einer frischen Installation auf Computern vorinstalliert sein. Ein Icon, welches den Download von Teams aus dem Microsoft Store gestatten wird, wird sich allerdings auch nach den folgenden Updates noch standardmäßig auf der Taskleiste befinden. Es wird allerdings keine tiefe Integration ins System mehr geben, wo sich das Programm nicht deinstallieren, sondern nur über die Taskleisten-Einstellungen aus der Taskleiste entfernen lässt.
Für den Nutzer ist der Unterschied fast nicht bemerkbar: Teams wird aus den Einstellungen verschwinden, allerdings nicht aus der Taskleiste. Teams wird sich allerdings, wie auch die TikTok- und Candy Crush-Werbung im Startmenü, immerhin einfach von der Taskleiste ab-pinnen lassen. Eine technische Formalität.
Microsoft Teams wird von Microsoft 365 entkoppelt
Aktiv gegen Microsoft ermittelt wird vonseiten der EU-Wettbewerbshüter jedoch nur in einem Fall, nämlich der Bündelung von Office 365 mit Microsoft Teams. Hierzu hat Konkurrent Slack vor wenigen Jahren eine durchaus kuriose Beschwerde eingereicht und die EU ermittelt seitdem.
Microsoft hat letzten Monat reagiert und angekündigt, dass man ab Oktober Microsoft Teams lediglich in der EU von seinen Office 365- und Microsoft 365-Abonnements entkoppeln wird. Änderungen am Preis- und Lizenzierungsmodell werden Teams damit als separate App verfügbar machen. Laut Berichten von Bloomberg soll dies den Konzern allerdings nicht vor weiteren Ermittlungen durch die EU-Kommission retten. Weshalb dieser Schritt es nicht geschafft hat, die EU vom guten Willen des Konzerns zu überzeugen, ist nicht bekannt.
Die EU als Innovationstreiber?
Nachdem die EU-Kommission erst vor wenigen Tagen den Innovationsführer Apple zur Implementierung des hochmodernen und über 10 Jahre alten USB-C-Anschlusses (mit USB 2.0 Geschwindigkeiten) in sein 950-Euro-Flaggschiff-Smartphone zu motivieren, scheint man sich nun Microsoft vorgeknöpft zu haben. Auch Microsoft wurde überraschend plötzlich zur Re-Implementierung einer freien Browser-Auswahl, zur Entkoppelung von Diensten und der Entfernung gebündelter Programme aus seinem System motiviert.
Nachdem Google mit Android, Chrome oder YouTube seine Marktmacht im letzten Jahrzehnt sichtlich und in vielen Fällen unverschämt zum Nachteil vieler Nutzer ausgenutzt hat, um konkurrierende Produkte zu schwächen, scheinen die Wettbewerbsbehörden weltweit jetzt einen näheren Blick auf Technologiekonzerne zu werfen.
So viel zu: Der Markt regelt alles.
Bild: vivaldi