Fünf Jahre ist es nun her, dass das Nokia Lumia 1020 vorgestellt wurde. Das Windows Phone mit 40 Megapixel-Kamera war ein echtes technisches Meisterwerk des Herstellers. Das liegt nicht nur an der Tatsache, dass das Lumia 1020 schon zum Zeitpunkt des Release hardwaremäßig veraltet war mit dem Dual-Core Snapdragon S4+ Prozessor und 2 Gigabyte RAM. Der Prozessor unterstützt die Auflösung der Kamera in Wahrheit gar nicht.
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Was ist ein Lumia 1020?
Das Lumia 1020 ist im Jahr 2018 nichts weiter als ein Relikt aus alten Zeiten. Ich konnte es aber kürzlich für 135 Euro bei Amazon im Zustand „Gebraucht – Gut“ (sieht man dem Gerät aber nicht an) erwerben und dachte, warum nicht? Besonders in Anbetracht des aktuellen Hypes rund um das Huawei P20 Pro wollte ich den spirituellen Vorgänger wieder einmal ausprobieren.
Das System, mit dem es ausgeliefert wurde, ist veraltet und wird nicht mehr unterstützt. Längst nicht mehr. Ein Upgrade auf Windows 10 Mobile ist zwar möglich, aber sinnlos.
Einerseits bekommt die neueste Windows 10 Mobile-Version nicht offiziell, sodass man entweder per Modifikation einen Umweg gehen muss oder eine alte Version nutzt. Wie auch immer man sich entscheidet, bekommt man bis auf die Einstellungen schlechtere Software, muss mit hohen Performance- und Stabilitätseinbußen rechnen.
Windows Phone 8.1 – Microsoft, was habt ihr gemacht?
Ich blieb also bei Windows Phone 8.1 und bereue diesen Schritt seitdem keine Minute lang. Die Bedienung des Systems auf dem Lumia 1020 hat mich wieder daran erinnert, weshalb ich Windows Phone zwischen 2011 und 2017 aktiv, täglich und mit großer Begeisterung genutzt habe. Und bis heute nutzen kann.
Windows 10 Mobile habe ich zwischenzeitlich immer wieder verlassen müssen, weil mir das System einfach keine Freude machte. Ich hatte erwartet, dass Windows Phone 8.1 genauso sei, nur älter, schlechter und weniger unterstützt. Aber ich habe mich geirrt.
Windows Phone 8.1 ist auch heute noch um Welten besser als Windows 10 es je war und vermutlich je sein wird. Microsoft, was habt ihr gemacht?
Dieses Windows Phone 8.1-System ist großartig. Nicht gewesen. Es ist es bis heute. Die Performance ist im Alltagsbetrieb deutlich flüssiger als bei heutigen Flaggschiff-Smartphones. Ein Google Pixel, Samsung Galaxy S8 oder Xiaomi Mi6, allesamt wirklich schnelle Android-Smartphones, können Ruckler aufweisen. Das Lumia 1020 nicht. Es läuft butterweich und zwar immer, egal, wie viele Apps installiert, Kontakte gespeichert oder eingehende Benachrichtigungen vorhanden sind. Mein Xiaomi Mi6 ist gerade noch bedienbar, wenn ich das WindowsArea Tipp-Postfach auf „Push“ eingestellt ist.
Kann man es heute noch produktiv nutzen?
So sehr ich die konkurrenzlose Performance eines Windows Phone-Flaggschiffs von Mitte 2013 auch schätze, kann ich leider nicht behaupten, dass ein Lumia 1020 heute noch mein Produktivgerät sein kann. Zu viele wichtige Dienste werden am Smartphone genutzt, die entweder nicht (mehr) vorhanden sind, nicht in der Qualität bereitstehen wie auf anderen Plattformen oder schlichtweg eingestellt wurden. Instagram, Facebook und Twitter sind eingeschränkt nutzbar. Stories, Reaktionen und Tweets mit über 140 Zeichen werden gar nicht oder nicht korrekt dargestellt.
Office ist unter Windows 10 Mobile deutlich besser, genauso auch die Einstellungen. Microsoft To-Do gibt es für Windows Phone 8.1 nicht. Dafür funktioniert Spotify überragend, Telegram und WhatsApp sind auch vorhanden. Here Drive+ und HERE Maps können in vollem Funktionsumfang genossen werden. Selbst HERE Maps für Android wie auch immer es heute heißen mag, ist nicht ansatzweise so gut. Wer es heute noch nutzen möchte, muss mit vielen Kompromissen leben. Aber wer mit ihnen leben kann, wird die Software lieben.
Was macht das Lumia 1020 besser als heutige Smartphones?
Das für heutige Relationen sehr kleine 4,5-Zoll HD-Display ist wirklich erfrischend und bietet unglaublich tolle Farben. Man bekommt das Gerät problemlos in die Hosentasche, kann das Interface komfortabel mit einer Hand bedienen und kommt problemlos mit dem Daumen in die linke obere Ecke. Obwohl es auf der Rückseite die große, schwarze Auswölbung hat, ist es in Sachen Ergonomie besser als das neue iPhone X. Die leicht abgerundete Rückseite mit den runden Kanten schmiegen sich angenehm an die Hand.
Es fühlt sich unglaublich gut an, wenn es auch „nur“ in ein Polykarbonat-Gehäuse verpackt ist. Man kann es als wertig bezeichnen.
Und das liegt nicht daran, dass übermäßig hochwertige Materialien verwendet wurden, sondern dass Nokia zu dieser Zeit einfach auf Details geachtet hat. Hier ein Beispiel: Die Vibration des Lumia 1020 ist genau richtig für jede Situation. Sie ist genug sanft, dass sie in der Hand leicht und angenehm ist und auf einem Glastisch in einem ruhigeren Raum hauptsächlich vom Besitzer bemerkt wird und nicht von allen Anwesenden im gesamten Gebäude. In der Hosentasche spürt man zweifellos, wenn jemand anruft und hat keine Oberschenkelfraktur. Bis heute habe ich kein Smartphone verwendet, wo selbst auf dieses Detail derart hoher Wert gelegt wurde. Huawei, Samsung, Apple und Xiaomi machen das alle nicht.
Contra – Was fehlt im Vergleich zum Smartphone von heute?
Die Software ist eine große Stärke des Lumia 1020, leider auch im Vergleich zu meinem Lumia 950. Die Stabilität, Geschwindigkeit und Einfachheit der Bedienung hat das Smartphone aus dem Jahr 2013 vielen aktuellen Geräten voraus.
Gleichzeitig ist die Software auch eine große Schwäche: Der Internet Explorer ist mit modernen Internetseiten hilflos überfordert, ob nun Facebook oder irgendeine andere mobile Webseite. Der Browser ist das größte Hindernis, das Lumia 1020 im Alltag zu nutzen. Selbst, wenn man auf alle Apps verzichten könnte, wäre die Browser-Erfahrung so schlecht, dass man es irgendwann weglegen müsste.
Das Alter merkt man dem Betriebssystem abgesehen von den Apps und dem Browser grundsätzlich nicht an. Bluetooth-Geräte können schnell, einfach und zuverlässig verbunden werden. Im Auto funktioniert die Sprachnavigation und auch das Übertragen der Kontakte in das Infotainment-System ohne Weiteres.
Das Laden funktioniert im Vergleich zu heutigen Geräten mit Fast Charging natürlich ebenfalls sehr langsam, doch die Akkulaufzeit ist für heutige Verhältnisse ganz gut. Das könnte aber auch daran liegen, dass man mit dem Smartphone so gut wie nichts anfangen kann außer WhatsApp, Telegram und SMS.
Kamera – Ist das Lumia 1020 das beste Kamera-Smartphone?
Schon lange nicht. Heute ist das Lumia 1020 ein sehr gutes Beispiel dafür, dass die Zahl der Megapixel so gut wie nichts über die Qualität der Bilder aussagt. Die Bilder sind unglaublich scharf, aber die Bildqualität an sich, die Kontraste, Farbreproduktion, der Dynamikbereich und was sonst noch dazugehört, ist nicht mit heutigen Smartphones vergleichbar.
Die Schärfe ist eben nicht alles. Das Lumia 950 nimmt abgesehen von der „Reinzoombarkeit“ deutlich schönere Bilder auf. Allein der Dynamikbereich ist um Welten besser bei Microsofts aktuellstem Flaggschiff-Smartphone.
Nur, wenn die Schärfe ein Kriterium ist, kann das Lumia 1020 heute noch mitreden. Weder ein Samsung Galaxy S9, Lumia 950 noch das Huawei P10 Plus können derart unglaublich scharfe Aufnahmen machen. Aber all diese Smartphones machen grundsätzlich deutlich bessere Fotos.
Heute ist das Lumia 1020 somit auch kameratechnisch überholt und ich warte gespannt auf ein Testgerät von Huawei, um ein Smartphone zu testen, das den Titel als spiritueller Nachfolger des 1020 verdient hat. 40 Megapixel kombiniert mit heutiger Smartphone-Kamera-Technik kann nur gut werden. Ich wünschte, dieser Nachfolger hätte eine Windows Phone-Version von 2018 und ein Microsoft-Logo auf der Rückseite.
Nokia Lumia 1020 Test – Fazit
Es geht hier um so viel mehr als ein Smartphone…
Die Verwendung des Lumia 1020 hat mich wieder daran erinnert, welches mobile Betriebssystem ich bis heute für das Beste halte. Mit Abstand. Das System ist selbst in Szenarien schnell, die meine aktuellen Android-Smartphones regelmäßig überfordern.
Ich wünschte, Windows 10 Mobile hätte es nie gegeben.
Das Lumia 950 ist meiner Ansicht nach ein tolles Smartphone, dessen Vorteile für mich immer noch die Nachteile von Googles Android-System überwiegen. Es wäre aber so viel besser, wenn Microsoft das Konzept von Windows Phone 8.1 weiter getragen und nur um heutige Funktionen erweitert hätte. Mit Progressive Web Apps und der damaligen Unterstützung von Microsoft und Drittanbietern hätte Windows Phone meiner Meinung nach heute eine realistische Chance. Es wäre eine Chance für Nutzer, aus diesem Duopol von Google und Apple auszubrechen. Heute hat man praktisch keine Wahl und muss sich entweder mit maßlos überteuerter Hardware abfinden oder zahlt ebenfalls hohe Preise, um ohne Zustimmung dauerhaft von einem Konzern überwacht zu werden.
Mein abgrundtiefer Hass gegen das Hamburger-Menü unter Windows 10 Mobile kommt wieder hoch, wenn die ich die Leichtigkeit der Bedienung unter Windows Phone 8.1 nochmals erlebe. Ich bin enttäuscht von Microsoft, dass man ein tolles mobiles Betriebssystem nicht nur fallengelassen, sondern es mit Windows 10 Mobile regelrecht zerstört hat. Man hat die tollen Ideen von Windows Phone durch Konformität zu Android und iOS einfach zerpflückt. Windows Phone 8.1 war dagegen ein einzigartiges Meisterwerk, ein Beispiel dafür, was Microsoft kann, wenn es nur genug will.
Es erfüllt mich daher mit großer Hoffnung zu sehen, wozu Microsoft in einer kurzen Phase mit Windows Phone zu leisten imstande war. Windows Phone war alles, was Windows heute nicht ist. Es war modern, leicht, schnell. Wenn Microsoft wirklich ein modernes Windows Core OS bauen will, dann muss man jenen Leuten den Vortritt geben, die Windows Phone gemacht haben. Nachdem der ehemalige Windows Phone-Chef Joe Belfiore nun wieder an der Spitze des Windows Experience Teams ist, habe ich gewisse Hoffnungen, dass es klappen kann.
Es ärgert mich heute etwas, dass Microsoft Windows Phone fallen gelassen hat wie eine heiße Kartoffel und damit Millionen von Nutzern, die man auf diese Reise mitgenommen hat. Ich bin dennoch froh, dass es Windows Phone gegeben hat, denn dieser kurze Abschnitt in der Geschichte des Unternehmens zeigt Microsoft, was genau es braucht, um im Consumer-Bereich langfristig relevant zu bleiben. Microsoft muss ein klares Ziel vor Augen haben, Risiken eingehen und Windows modernisieren.
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